Musizieren mit Handicap

Mehr als Triangel schlagen: Inklusive Musikprojekte im Südwesten

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Autor/in
Sina Weinhold

Orchester, in denen Menschen mit und ohne Behinderung zusammen musizieren, gibt es einige im Südwesten. Doch es fehlt nicht nur an den richtigen Noten, sondern oft auch an einem durchdachten Konzept. Dafür braucht es Fachleute, die sich mit inklusiver Musik auskennen. Doch daran mangelt es.

Wenn in Roes im Kreis Cochem-Zell das „Elztalfestival“ stattfindet, wird auch der Musikverein Löf für Stimmung sorgen, der 2023 mit dem Inklusionspreis des Landesmusikrates Rheinland-Pfalz ausgezeichnet wurde.

Das Orchester besteht aus Menschen mit und ohne geistige Behinderung. Was ist nötig, damit inklusive Musikprojekte gelingen?

Inklusion ist kein Selbstläufer

Auch am Peter-Cornelius-Konservatorium in Mainz ist ein inklusives Angebot in Planung. Allerdings ist man dort noch auf der Suche nach einer geeigneten Lehrkraft, erklärt Direktor Gerhard Scholz die aktuelle Situation.

Inklusion sei kein Selbstläufer, betont der Musikpädagoge im Gespräch mit SWR Kultur. Es reiche nicht, Menschen ohne und mit besonderen Bedürfnissen zusammenzustecken: „Ich muss wissen, wer was kann oder eben auch nicht“, sonst sei die Frustration vorprogrammiert.

Musiker und Musikerinnen oroben mit einer Musikpädagogin des inklusiven Vereins und Musikprojekts "YouTH-Rock it!"
Musiker und Musikerinnen proben mit einer Musikpädagogin des inklusiven Vereins und Musikprojekts „YouTH-Rock it!“.

Gemeinsam etwas erarbeiten

Genauso sieht das auch Daniela Konz in Trier. Sie ist die Vorsitzende und Chorleiterin des Vereins YouTH-Rock it.

„Unsere Vision ist es, dass Jugendliche, unabhängig von Behinderungen, ermutigt werden, gemeinsam etwas zu erarbeiten.“

Daniela Konz, selbst Förderschullehrerin und Musikpädagogin, setzt dabei auf Fachwissen. So würden etwa Noten entsprechend umgeschrieben oder Instrumente auch nach Vorlieben, vor allem aber nach ihrer realen Handhabbarkeit verteilt.

Das sei sicher nicht nur die Triangel, sondern einfach das Instrument oder das Lied, mit dem man sich am wohlsten fühle. „Jeder ist mit dem, was er bringt, wertvoll.“ Finanziert werden Orchester, Chor und Band über projektbezogene Fördergelder und Spenden.

Ein Junge mit Downsyndrom konzentriert sich auf Noten. Er ist Teil des inklusiven Musikprojekts "YouTH-Rock it!"
Auf die Bedürfnisse eingehen: Im Rahmen inklusiver Musikprojekte werden teilweise Noten umgeschrieben oder Instrumente auch nach ihrer Handhabbarkeit für die Musizierenden ausgewählt.

Eigene Fähigkeiten nicht beeinträchtigen

Damit Inklusion gelingen kann, sei ein Konzept nötig, das allen Beteiligten gerecht werde. Ein sogenannter Behindertenbonus sei nicht erwünscht. Sonst würden vor allem Menschen mit Handicap Inklusion als Beeinträchtigung ihrer eigenen Möglichkeiten wahrnehmen, weist Gerhard Scholz vom Mainzer Peter-Cornelius-Konservatorium auf die Herausforderung inklusiver Musikpädagogik hin.

Die Ausbildung von Musiklehrenden habe – wenn überhaupt – nur ganz geringe sonderpädagogische Anteile. Das wiederum hänge auch mit dem Verschwinden der Sonder- und Förderschulen zusammen.

Fortbildungsmöglichkeiten für interessierte Lehrkräfte zum Thema Musik und Inklusion gibt es über den Verband deutscher Musikschulen.

Hier spielt die Musik: Mehr inklusive Ensembles

„Inklusion klingt ehrlich, unverstellt und herzerfrischend“, sagt Claudia Bühlweiler über den Klang des Ensembles „grenzenlos“ in Fellbach. Hier spielen und improvisieren Menschen mit und ohne Einschränkungen gemeinsam und treten auch bei Konzerten auf.

Inklusive Musikprojekte gibt es in alle Richtungen, „Groove Inclusion“ heißt eine 27-köpfige Inklusions-Bigband aus dem Unteren Remstal.

Die im Februar 2014, aus Mitteln des Sozialministeriums Baden-Württemberg, gegründete Formation wird von drei Jazzmusikern aus der Region Stuttgart geleitet. Die Band probt wöchentlich und die Stücke werden auch hier so arrangiert, dass jedes Bandmitglied seine Stärken einbringen kann.

Techno aus der Hauptstadt

Das Berliner Musikprojekt „Ick mach Welle“ ermöglicht Menschen mit Behinderung den Zugang zur elektronischen Musik.

In Workshops werden die Grundlagen der Produktion elektronischer Musik vermittelt und die Teilnehmenden darin bestärkt, ein eigenes künstlerisches Profil zu entwickeln.

Beide Seiten müssen an einem Strang ziehen

Inklusive Musikprojekte sind keine Beschäftigungstherapie für Menschen mit Einschränkungen. Es geht darum, gemeinsam etwas zu erarbeiten, individuelle Fähigkeiten zu nutzen und sich gegenseitig wertzuschätzen.

Gelingen kann das nur mit einem Konzept, das beide Seiten miteinbezieht. Wünschenswert sind daher mehr Fortbildungsmöglichkeiten für Musikpädagog*innen und ein entsprechender Schwerpunkt schon während der Ausbildung.

Mehr Inklusion im Kulturbereich

Herzerfrischend Das inklusive Musik-Ensemble „grenzenlos“ in Fellbach

„Inklusion klingt ehrlich, unverstellt und herzerfrischend“, sagt Claudia Bühlweiler über den Klang des Ensembles „grenzenlos“ in Fellbach. Hier spielen und improvisieren Menschen mit und ohne Einschränkungen gemeinsam und treten auch bei Konzerten auf.

Treffpunkt Klassik SWR Kultur

Trier

Diversity Day 2024 Inklusive Band aus Trier: Wie Musik verbinden kann

Alba, Thomas, Stefan und Patrick haben das Down-Syndrom. Ihre Liebe zur Musik brachte sie zur inklusiven Band "Alpina weiss Bescheid". Heute ist die Gruppe unzertrennlich.

SWR4 am Dienstag SWR4

Waghäusel

Auftritt beim Benefizkonzert ROck'nTARY Inklusive Band aus Waghäusel rockt in Bruchsal vor 1.000 Menschen

In Waghäusel probt eine besondere Band: Menschen mit und ohne Behinderung machen gemeinsam Musik. Vor dem Auftritt in Bruchsal vor rund 1.000 Menschen waren alle aufgeregt.

Sonntagmorgen SWR1

Freiburg

Inklusiver Chor Der Chor "Singende Hände" probt sein Weihnachtskonzert

Im Freiburger Chor "Singende Hände" treffen sich Gehörlose und Hörende zum gemeinsamen Musizieren. Wie macht man Musik, wenn man sie nicht hören kann?

Grenzenlos Kultur Festival in Mainz Inklusives Theater wird immer sichtbarer – Keine Spur von „Behindertenbonus“

Theater wird insgesamt inklusiver: Das ist die Erkenntnis des Grenzenlos Kultur Festivals, das seit 25 Jahren Theater von und mit Menschen mit Beeinträchtigung macht.

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Sina Weinhold