Geboren in Schlesien, emigriert in die USA und dort einer der produktivsten Komponisten in der Geschichte Hollywoods: Franz Waxman, der als Franz Wachsmann zur Welt kam, komponiert Musik für über 140 amerikanische Filme, darunter etliche Klassiker der Filmgeschichte. Jetzt ist ein neues Buch über Waxman erschienen, die erste umfassende Monographie, die Leben und Werk genauer beleuchtet.
Franz Waxman: Ein Multitalent
Auf eine gewisse Amerikanisierung deutet allein die Veränderung seines Namens hin: Aus Franz Wachsmann wird noch vor seiner Emigration Franz Waxman – zu einem Zeitpunkt, als die deutsche Filmindustrie bereits international ausgerichtet ist.
Waxman ist ein Multitalent. Die Autorin Ingeborg Zechner beschreibt dies so: „Er war unter anderem Jazz-Musiker, Arrangeur, Filmkomponist, deutsch-jüdischer Migrant, Konzertveranstalter, Dirigent sowie Konzert- und Opernkomponist – und zwar, vereinfacht dargestellt, in genau dieser Reihenfolge.“
Musikstudium statt Banklehre
Wachsmann wird 1906 in Oberschlesien geboren. Er ist das siebte Kind einer jüdischen Kaufmannsfamilie. Früh erhält er Klavierunterricht, beginnt allerdings erst einmal eine Banklehre, die er jedoch bald abbricht.
Die Eltern sind nicht begeistert, als er sich an der Dresdner Musikakademie einschreibt. Den Wechsel ans Berliner Konservatorium finanziert er mit Auftritten in einer Tanz-Kapelle. Kontakte mit dem berühmten Revue-Komponisten Friedrich Hollaender ermöglichen Waxman 1929 eine Mitarbeit am Film „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich.
Zwei Oscars und zwölf Oscar-Nominierungen
1933 flieht die Familie nach Paris – ein einjähriger, für Waxman durchaus richtungsweisender Aufenthalt, bevor er 1934 in die USA emigriert, wo Waxman noch im selben Jahr am Horrorfilm-Projekt „Frankensteins Braut“ mitwirkt.
Waxmans Themengestaltung in seinen Filmmusiken wirkt stilbildend. Ohnehin werden die Jahre in Hollywood eine Erfolgs-Story: mit 12 Oscar-Nominierungen und zwei gewonnenen Oscars.
Schwerer Stand als Dirigent
„Dennoch hatte Waxman als Hollywood-Komponist einen schweren Stand als Interpret sinfonischer Konzertmusik“, schreibt Ingeborg Zechner.
Eines der von Waxman dirigierten Werke ist die sechste Sinfonie von Peter Tschaikowsky: „Dabei gilt festzuhalten, dass die ‚Pathétique‘ nicht zuletzt durch die Einbindung des Werks […] in den Film ‚Now, Voyager‘ (1942) mit Hollywood-Filmmusik assoziiert wurde.“
Waxman bekommt als Dirigent klassischen Repertoires die damals gängigen Ressentiments zu spüren: Klassik und Hollywood passen nicht zusammen – obwohl Waxman mehrfach versucht, das Gegenteil zu beweisen, auch in seinen Kompositionen.
Ingeborg Zechner entdeckt Franz Waxman zufällig
Durch einen Zufall ist die Grazer Musikwissenschaftlerin Ingeborg Zechner auf Franz Waxman gestoßen und stellte schnell fest: Es gibt nur wenig fundiertes Material. So entstand eine Habilitationsschrift, die für die jetzt vorliegende Buchausgabe überarbeitet worden ist.
Zechners Buch besteht aus drei großen Teilen: Zunächst untersucht sie Waxmans Leben auf dem Hintergrund der historischen Begebenheiten, in einem zweiten Schritt fragt sie, wie Waxmans Kunst und die damaligen Ideologien und ästhetischen Vorstellungen zusammenpassen.
Schließlich nimmt sie einige von Waxmans Kompositionen exemplarisch unter die Lupe, mit besonderem Blick auf die Medialität von Filmmusik. Dem Konzertpublikum ist Waxman vor allem als Komponist der „Carmen-Fantasie“ bekannt, die Geiger wie Isaac Stern und Jascha Heifetz fest in ihrem Programm hatten.
Waxmans „Carmen-Fantasie“ auf YouTube
Monographie Messlatte für Waxman-Forschung
Franz Waxman stirbt 1967 – im Alter von nur 60 Jahren. Ingeborg Zechner hat eine sehr gründliche Studie vorlegt, die sicher für künftige Jahre eine Messlatte der Waxman-Forschung bilden wird.
Die gründliche Beschaffung und Auswertung der Quellen, ihre Methodik, die Biografisches und die jeweiligen Kontexte schlüssig miteinander verbindet, und die jederzeit stichhaltige Argumentation sprechen für sich. Ebenso der umfangreiche Anhang mit einer detaillierten Übersicht aller Filmmusiken Waxmans.
Die 432 Seiten lassen allerdings keine Schnelllektüre zu. Es ist kein unterhaltsames Lese-Buch, sondern eine wissenschaftliche Studie. Das sollte man wissen.
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