Klavier lernen für den sozialen Aufstieg
Hat klassische Musik in Harald Schmidts Elternhaus eine Rolle gespielt? Ja, sagt der Schauspieler und Entertainer. „Die Abgrenzung durch klassische Musik“ sei ja ein ganz wichtiges Element gewesen: „Also ich sitze in einem Konzert in irgendeiner Philharmonie und sage: ich höre die bessere Musik.“
Harald Schmidts Expedition in die Heimat
Falsche Töne wurden zur Avantgarde erklärt
Schmidts Klavierlehrer war evangelischer Kirchenmusikdirektor in Nürtingen. Dieser setzte seinen Schüler auch an die Orgel. Um üben zu dürfen, musste er sich verpflichten, in den Gottesdiensten zu spielen. Für Schmidt war das nicht immer einfach: „Ich war merkwürdigerweise unglaublich aufgeregt, wenn ich Orgel spielen musste, und spielte auch bei so etwas wie ‚Großer Gott wir loben dich‘ falsch“, erinnert sich der ehemalige Kirchenmusiker.
Doch seine musikalischen Unzulänglichkeiten wusste der heutige Entertainer immerhin gut zu verkaufen: „Ich hab dann mit der Zeit angefangen, die falschen Töne liegen zu lassen, um den Eindruck zu erwecken, ich würde besonders progressiv harmonisieren. Als würde ich mich von Tonika, Subdominante, Dominante und so weiter freimachen.“
Das habe ganz gut funktioniert, weil die Leute dann gesagt hätten: „Harald machte diese Ausbildung an der Kirchenmusikschule, das hört man. Also für uns teilweise nicht einfach mitzusingen, aber schon interessant.“ Das Krachmachen habe er im Tutti geübt, auch Fastenzeit-Choräle oder Vorspiele zu Bach-Chorälen. „Sehr zum Leidwesen des Messners, der parallel unten den Steinboden gebohnert hat“, erinnert sich Schmidt.
Die Musikausbildung half später dem Schauspieler Harald Schmidt
Trotz aller Schwierigkeiten hat Schmidt an der Kirchenmusikschule den berühmten C-Schein für Organisten gemacht, der ihn zum nebenberuflichen Dienst als Organist und Chorleiter befähigt.
Es habe da drei Typen von Studierenden gegeben: Die „Vollstreber“, zu denen sich Schmidt selbst zählte, die „Desperate Housewives“, laut Schmidt „unglaublich ehrgeizige Hausfrauen, die sich beinahe die Fußnägel ruinierten bei schweren Präludien“ und die „Überflieger“.
Letztere hätten die Ausbildung als Vorbereitung für das Studium an der Musikhochschule gemacht. Die seien schon bei der Aufnahmeprüfung um Klassen besser gewesen als er selbst beim Abschluss. Sie hätten vom Blatt transponieren können oder „einfach mal aus Gag solche Bach-Inventionen einen Halbton höher“ gespielt.
Aber die Ausbildung habe ihm später als Schauspieler sehr geholfen: „Diese alte Sache: ‚Du sach mal, das war doch gestern tiefer oder so‘ – Das konnte mir nicht passieren, denn ich kannte halt die Tonarten.“
Harald Schmidt zu Gast im Nachtcafé
Musik spielen? Ja, aber niemals in der Öffentlichkeit
Ob er mal überlegt hat, Musik zum Beruf zu machen? „Nein“, antwortet Harald Schmidt ehrlich, „weil ich wirklich sah, was die anderen können.“ Er sei in seinem weiteren Berufsleben so unfassbaren Könnerinnen und Könnern begegnet.
Eine tiefe Bewunderung hege er für Korrepetitorinnen und Korrepetitoren, verrät der Entertainer: Die kämen da teilweise mit der Discounter-Plastiktüte und spielten im Anorak zwei Stunden Wagner-Oper, ohne dass er einen Fehler höre.
Das sei für ihn faszinierend, so Schmidt. Diese Leute wüssten oft gar nicht, was sie können, und so ein Top-Pianist, der zahle ja auch einen Preis für dieses Können.
Hört Harald Schmidt heute lieber Musik als dass er sie macht? „Ich mache schon Musik“, verrät Schmidt, „aber zu Hause, immer dasselbe, aber niemals in der Öffentlichkeit. Auch nicht für einen guten Zweck.