Chor im Aufschwung

Ändern statt Vereinsauflösung: Besuch beim MGV Singing Kölsch-Büllesbach

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AUTOR/IN
Andreas Krisam
ONLINEFASSUNG
Dominic Konrad

Viele Gesangsvereine klagen darüber, dass ihre Mitglieder immer älter werden und kaum junge Menschen dazustoßen. Der Grund ist oft die Unlust, sich in Vereinen zu engagieren. Auch der traditionsreiche MGV Freundschaftsbund Kölsch-Büllesbach 1898 im Kreis Neuwied stand vor zwei Jahren kurz vor der Auflösung, hat dann aber einen unverhofften Aufschwung erlebt.

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Das neue Repertoire wäre vor kurzem noch undenkbar gewesen

37 Sängerinnen und Sänger proben voll Freude „Circle of Life“, den Titelsong aus dem Film „Der König der Löwen“. Ein Lied, das vor zwei Jahren noch nicht unbedingt auf den Noten- und Liedblättern der Chormitglieder gestanden hätte.

Vieles ist anders geworden seit 1898, als sich stimmgewaltige Männer entschlossen, den Männergesangverein „Freundschaftsbund“ Wallroth-Buchholz zu gründen. 21 Jahre später zogen sie ins benachbarte Büllesbach, überlebten zwei Kriege und feierten 1948 ihr 50-Jähriges Bestehen. Doch zum 125.Geburtstag gab es ein Problem: mit den 13 verbliebenen Männerstimmen ließ sich nicht mehr vierstimmig singen. Und dann kam auch noch die Corona-Pandemie.

„Die ersten drei Monate haben wir geprobt. Dann gab es die ersten Corona-Fälle und wir sollten online proben“, erinnert sich Chorleiter Andrey Telegin. „Da war schon der ein oder andere weg aus der Chormannschaft (...) Und dann haben wir uns entschieden einen Projektchor zu gründen.“

Weibliche Mitglieder bauen Vorbehalte ab

Nicht alle im alten Männergesangverein waren anfangs Feuer und Flamme. Norbert Gehrmann, damals schon 18 Jahre im Verein, hatte große Bedenken, mit Frauen zusammen zu singen, aber dann überwog der Respekt vor der Leistung der Damen: „Bei unseren Frauen, die wir im Chor haben, kann ich nur sagen: Chapeau. Ich ziehe alle Hüte, die ich nicht habe.“

„Das ist einfach nur ein geiler Gesang, den die Frauen machen“, meint Gehrmann heute. „Und dann kommen wir Männer dazu und unterstützen sie. Es ist einfach nur ein Erlebnis das erleben zu dürfen und hoffentlich bleibts lange erhalten.“

Plakate und Gespräche bringen neue Mitglieder

Mit Plakaten und vielen Gesprächen warben die Männer um neue Sängerinnen und Mitglieder. Bei Nicole Nüchel stießen sie auf große Begeisterung. Die hatte die Männer schon bei ihrem Hobby, dem Reiten, singen gehört.

 „Zu Corona-Zeiten haben die Herren ja noch im Stall geprobt. Und das habe ich halt immer mitgehört und mitgeträllert, während ich mein Pferd putzte“, erinnert sich die Sängerin. „Und hab gedacht: Das ist doch klasse. Und dann bin ich so dazugekommen.“

 Heute ist sie stellvertretende Vorsitzende des MGV Singing Kölsch -Büllesbach. Das „M“ in MGV steht jetzt für „Mein“ Gesangverein. Und der ist für Nicole Nüchel was ganz Besonderes, beispielsweise bei der Probe: „Du kommst freitags hier rein, hast eine stressige Woche hinter dir und da fällt alles ab mit dem ersten Ton, den Du singst. Es ist eine super Gemeinschaft, es macht mega Spaß und die Sorgen sind für die Zeit, in der du singst einfach weg.“

„Wir sind auf einem guten Weg“

Vor wenigen Wochen ist der Gesangverein im Kölner Dom aufgetreten. Es ist der Höhepunkt des jungen, alten Vereins: „Es ist einfach nur überwältigend, wen man in so einem Gotteshaus steht und auch eine unbeschreibliche Akkustik“, schwärmt Chorleiter Andrey Telegin. „Wir sind auf einem guten Weg und ich glaube der Chor ist gut.“

Er ist hochzufrieden. Das Repertoire sei vielseitiger geworden, freut er sich. Und jeden Monat kämen 1-2 neue Sängerinnen und Sänger hinzu, einige würden dauerhaft bleiben.

Geschäftsführer Georg Hewelt ergänzt, dass es kaum einen Monat ohne Auftritt, Grillen, Freundschaftssingen oder Konzerte gebe. Im Herbst ist eine dreitägige Chorreise nach Rom geplant. Aus dem anfänglichen Projektchor sei eine echte Chorgemeinschaft geworden, die Transformation sei perfekt geglückt.

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