Donaueschinger Musiktage | Werke des Jahres 2023

Peter Evans: Animations

Stand

für Trompete, zwei Klaviere und zwei Schlagzeuger

Werkkommentar von Peter Evans

Nachdem ich 2013 mein traditionell notiertes Werk Returns für Yarn/Wire komponiert hatte, wurde ich vom Ensemble und Lydia Rilling gebeten, ein neues Stück zu schreiben. Ich war eingeladen, mich selbst als Spieler einzubeziehen in einem Arbeitsprozess, der ganz anders sein sollte als unsere letzte gemeinsame Erfahrung. Da ich als Komponist oft in der Rolle des Bandleaders arbeite, war es von Anfang an klar, dass die Rolle des Ensembles eher die einer Band als die eines traditionellen Ensembles für zeitgenössische Musik sein würde. So sollten gemeinsam mit den Musiker:innen eine interessante Zusammenarbeit und eine interessante Komposition entstehen. Dies ist nicht nur eine semantische Unterscheidung; die Arbeit in einer Band (als Leader, Sideman oder in einer vollständig kollaborativen Situation) ist eine andere Art von Musikkultur als die eines "normalen" Ensembles für zeitgenössische Musik – eine Kultur, die mehr oder weniger von der europäischen klassischen Tradition übernommen wurde.

Wenn ich und Yarn/Wire mit dieser Einstellung an die Realisierung meines Stücks herangehen, ist fast jeder Aspekt des Schaffensprozesses betroffen: die anfängliche Konzeption des Materials, der Probenprozess (viele, viele Proben) und natürlich die daraus resultierende Aufführung. Wenn ich für meine Bands komponiere, verwende ich im Allgemeinen eine Vielzahl von Techniken: streng notiertes Material, zyklische Formen für improvisierende Variationen, frei improvisierte "Szenen", die bestimmte Abschnitte miteinander verbinden, und auswendig gelerntes Material wie rhythmische Muster und melodische Vorgaben. Zu diesen Methoden kommen hier noch spezifisch komponierte Klangereignisse hinzu, die die besonderen, uns zur Verfügung stehenden instrumentalen Klangfarben erforschen. Diese Art der Zusammenarbeit mit den Musiker:innen stellt viele der traditionell vereinbarten Rollen in der klassischen zeitgenössischen Arbeitsumgebung auf den Kopf und verflacht Hierarchien. In vielen anderen Musikkulturen ist dies hingegen gang und gäbe. Meine Erfahrung als Musiker und Komponist, der nicht nur Gruppen leitet, sondern auch in denen anderer mitspielt, gibt mir eine bestimmte Perspektive bei der Schaffung neuer Werke. Dies trifft auch auf Yarn/Wire zu. Ich habe bereits ihre große Erfahrung bei der Umsetzung der Ideen anderer (von sehr spezifisch bis sehr offen), ihre genaue Kenntnis der eigenen klanglichen Möglichkeiten (individuell und als Gruppe) sowie einen außergewöhnlich sensiblen Gruppenmechanismus beim Hören kennengelernt. In der Anfangsphase der Konzeption dieses Stücks schien es mir, dass wir unsere kollektive Erfahrung nutzen und sie aktiv in die Schaffung dieser neuen Musik einbringen sollten.

Als Teil unserer Vorbereitung auf Donaueschingen haben wir das Werk in vielen Phasen über Monate hinweg entwickelt, im Gegensatz zu der (leider üblichen) Vorgehensweise von ein paar wenigen Proben und einem einzigen Konzert. Einige dieser Sessions bestehen aus gelenkten Improvisationen ohne jegliche Notation, andere konzentrieren sich auf die Wiederholung eines einzigen kurzen rhythmischen Zyklus, den wir so weit verinnerlichen und auswendig lernen, dass er uns ganz zu eigen wird, und wir frei improvisieren können. Spezielle Beziehungen zwischen den Musiker:innen werden zu Bands innerhalb der Band, zu Duos und Trios. Wir haben dieses Material auch einige Male vor einem kleinen geladenen Publikum auf aufgeführt. Letztlich ist es wichtig, dass die Kompositionen, die wir spielen, ein Eigenleben entwickeln, eine Art Willen zu bestimmten klanglichen oder strukturellen Gegebenheiten. Es ist diese lebendige Qualität der Musik, mit der wir uns letztendlich beschäftigen, nicht die Anweisungen oder die Notation allein. Das Stück selbst ist eine "Set-List", die aus den vielen Szenarien, die wir entwickelt haben, zusammengesetzt ist; es kann sein, dass wir nur einige davon verwenden oder auch alles in einem Zug durchspielen.

Ich finde diesen Prozess dynamischer und ehrlich gesagt auch ein wenig menschlicher als die typische Methode in der Welt der klassischen Musik. Ich hoffe, dass diese Dynamik und Menschlichkeit aus der Musik und unserer Aufführung sprechen.

English

After composing my traditionally notated work Returns for Yarn/Wire in 2013, I was asked by the group and Lydia Rilling to create a new piece. The commission included an invitation to involve myself as a player and to explore a process that contrasts with our last experience together. As much of my work as a composer is in the role of a band leader, it seemed clear from the beginning that to create an interesting experience and composition with the ensemble, their role would be more as a band than as a traditional contemporary music ensemble. This is not just a semantic distinction; working in a band (as a leader, sideman, or in a fully collaborative situation) is a different type of musical culture than that of the average contemporary music ensemble, a culture more or less inherited by the European classical tradition.

For me and Yarn/Wire to approach realization of my piece with this mindset, nearly every aspect of the process is affected: the initial conception of the material, the rehearsal process (many many rehearsals), and of course the resulting performance. My work as a composer for my bands generally utilizes a variety of techniques; strictly notated material, cyclic forms for the purposes of improvising variations, freely improvised "scenes" that connect more specified zones from one to another, and memorized material such as rhythmic patterns and melodic prompts. Added to these strategies in this case will be a language of specifically composed sound events that explore the unique instrumental timbres available to us. Working this way with the musicians upends and flattens many of the traditionally understood roles in the contemporary classical working environment, however in many other musical cultures it is considered fairly commonplace. My experience as a musician and composer who not only leads groups but plays in those of others has allowed me to gain a certain perspective in the creation of new works. This is true of Yarn/Wire as well; I have noticed already their considerable experience in realizing the ideas of others (ranging from hyperspecific to very open) their possession of a vast knowledge of their own sonic capabilities (individually and as a group) as well as a truly extrasensory listening group mechanism. It seemed to me in the beginning stages of the conception for this piece that we should capitalize on our collective experience and actively engage it in the creation of this new music.

As part of our preparation for Donaueschingen, contrary to the (sadly usual) process of a few rehearsals and a single concert, we have developed the work in many stages over the course of months. Some of these sessions involved directed improvisation without any notation, others focused on repeating a single short rhythmic cycle that we digest and memorize to the point that it becomes second nature and available for improvised variations. Internal relationships between the musicians have been developed into bands-within-the-band, duos, trios. We have also performed iterations of this material a few times for a small audience we invite. Ultimately it is important that the composition(s) we play evolve to have a life of their own, a kind of volition towards certain sonic or structural realities. It is this living quality of the music with which we will ultimately be engaging, not the instructions or notation alone. The piece itself will be a "set list" constructed out of the many scenarios we have developed, it could be that only a few are used, or that we cycle through all of it in one go.

I find this process to be more dynamic, and honestly a little more human, than the typical method in the classical music world. I hope that that dynamism and humanity speaks through the music and our performance.

Stand
Autor/in
SWR