Es überrascht mich, wenn Leute überrascht sind, dass ich meine Musikspinde selbst gebaut habe. Als Sohn eines Bildhauers und einer Musikerin, die in den sechziger und siebziger Jahren gemeinsam audiovisuelle Aktionen mit selbst entwickelten Instrumenten auf die Bühne brachten, bin ich als Kind zwischen dem Probenraum meiner Mutter und der Werkstatt meines Vaters hin- und hergependelt. Die Bearbeitung von verschiedenen Materialien wie Stein, Holz und hauptsächlich Metall und die Möglichkeiten, ihnen Geräusche, Klänge zu entlocken waren prägende Eindrücke für mich. Vor allen Dingen aber habe ich damals das Handwerkliche als unverzichtbare Grundlage für gestalterisches Arbeiten respektieren gelernt. Viele Jahre später habe ich nach einem Auftritt einen Dachdecker kennengelernt, der mir erzählte, wie er im jahrelangen Umgang mit dem Material gelernt hatte, schon am Klang die Qualität und Lebensdauer der Dachziegel festzustellen. Die präzise Auswahl des richtigen Materials ist auch für mich bei der Herstellung von Musik unverzichtbar. Ein interessantes Phänomen findet man bei industriellem Schrott: dadurch, dass Abschnitte in Serie entstehen, entsteht eine Vervielfältigung von zunächst identischen Teilen, die aber mikrotonale Abweichungen aufweisen.
Für mein Stück Rollen und Schläge, entstanden im Jahr 1993, hatte ich noch Einzelteile zusammengesucht und sie so, wie sie waren, unbearbeitet auf der Bühne verteilt und bespielt. Die einzelnen Stücke in einen größeren Zusammenhang zu bringen, zu Instrumenten zusammenzufügen, war eine Auswirkung der Assoziationen, die sich aus der teils noch erkennbaren ehemaligen Funktion der Gegenstände ergaben. So war das erste Instrument, das ich gebaut habe, die "Musikmaschine" von 1994, aus Einzelteilen einer alten Schmiede aus der Jahrhundertwende zu einem Räderwerk zusammengefügt, was in die für die Musikmaschine und Tonband komponierten Fünf Inseln einfließt. Mit Räderwerken und primitiven Mechanismen lassen sich repetitive Rhythmen mit zufälligen Abweichungen erzeugen. So wird der Zufall, das Unwägbare zum bewusst eingesetzten Bestandteil der Komposition. 1996 sind die ersten beiden Musikspinde entstanden, denen im darauffolgenden Jahr weitere sechs folgten.
Bisher jede meiner Arbeiten enthält elektroakustische oder elektronische Elemente, die in markantem Gegensatz zum Wesen der beinahe anachronistisch wirkenden Instrumente stehen. Häufig besteht sogar zuerst die Tonbandeinspielung mit verfremdeten Klängen der benutzten Instrumente, mit fremden, konkreten Klängen oder elektronischen Klängen, und erst dann kommt die Instrumentierung dazu. Auch die dafür verwendeten tontechnischen Geräte sind wesentlicher Bestandteil der Komposition, denn jedes Gerät hat charakteristische Eigenschaften, die gezielt eingesetzt werden können. Schlechte Geräte sind nur die, die nicht mehr arbeiten, denn auch in diesem Bereich gibt es Moden und manches, was schon hoffnungslos veraltet schien, erlebt heute eine Renaissance.
Durch meine Arbeit für verschiedene Veranstaltungen und Festivals, die ich technisch und organisatorisch betreue, weiß ich, dass auch die Veranstaltungstechnik Teil des künstlerischen Konzepts sein muß, da falsch oder nachlässig eingesetzte Technik die besten Absichten schlagartig ins Gegenteil umkippen lassen kann. Leider gibt es bei Künstlern wie Technikern zu oft kein Bewusstsein darüber, wie wesentlich ihre Zusammenarbeit ist und dass hierfür auch eine inhaltliche Auseinandersetzung unerlässlich ist. In meiner Arbeit gebe ich Technik einen gleichberechtigten Stellenwert gegenüber dem Musikinstrument oder der Bühnengestaltung, so war ein kleiner Verstärker Bestandteil der Instrumentierung für Rollen und Schläge und als solches auch mit den Instrumenten auf der Bühne plaziert.
Doch kann Technik auch Räume schaffen, so beispielsweise in einer Theaterproduktion am Landestheater Tübingen (Trümmer des Gewissens von Hans Henny Jahn, Regie: Gunther Ballhausen) im Jahr 1989, wo ich Alternativen zu herkömmlichen Bühnenbildgestaltungen, zur Strukturierung des theatralen Raums suchte. Es entstand dabei ein akustisches Bühnenbild, eingespielt von vier Bandmaschinen mit über 300 Einsätzen, eingearbeitet in die Dramaturgie eines literarischen Theaterstücks.
Im experimentellen Theater wird in der Regel nicht so stark mit Illusionen gearbeitet. Hier wendet man eher assoziative Methoden an, die größere Freiräume bieten. Da ohnehin selten eine durchgehende Handlung existiert, kann das Ausgangsmaterial aus Film, Musik oder Text fragmentiert, anders verdichtet bzw. rhythmisiert werden. Es ist darüber hinaus meistens nicht notwendig oder gewollt, die Bühnentechnik zu verbergen, sondern sie nimmt einen aktiven Part im Geschehen ein. Dies entspricht mir, da das Schaffen von Illusionen immer mit der anschließenden Ernüchterung verbunden ist; das heißt, der Zeitpunkt kommt, an dem das Imaginäre vergeht.
Ich bevorzuge es, einen Raum zu schaffen, der sich so präsentiert, wie er ist, aber dennoch verschiedene Herangehensweisen, neue Perspektiven anbietet, und in diesem Raum ein Spiel der Gegensätze und Gemeinsamkeiten entstehen zu lassen: zwischen den Spielern, mit den Assoziationen durch die auf die Bühne gebrachten Dinge, mit festgelegten Abläufen und improvisierten Teilen.
- Festivaljahrgänge
- Donaueschinger Musiktage 1999
- Themen in diesem Beitrag
- Zoro Babel, Töne aus Sichten
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