Die Text-Sound-Komposition arance dal marocco ist eine Collage aus bruitistischen und vokalen Zuspielungen, zum Teil überfallsartig agierenden elektrischen Gitarren, Live-Sprechen und (Live-) Samples sowie mit Elektromotoren bestückten Gitarrenmaschinen.
Als Zuspielungen verwendet werden u.a. O-Töne aus dem nahe Rom gelegenen Gebirgsort Olevano Romano, die in eine rhythmische, dynamische und zeitliche Kontrastruktur gebracht wurden: marktschreierische Lautsprecher-Anpreisungen eines Obst – und Gemüsehändlers, der seine Ware aus einem Kleinlaster heraus verkauft, Vogelrufe, Schüsse, Straßenlärm, Geräusche einer Olivenmühle, Mitschnitte einer Papstmesse und eines Zeichentrickfilms (übertragen von einem defekten Fernsehgerät), Silvesterfeuerwerk. Als "Fels in der Brandung" des Switchens durch akustische Räume agiert der unbeirrt und durch Olevano und über die umliegenden Serpentinen fahrende, je nach Standort in verändertem akustischen Ambiente "erscheinende" Händler.
Die Gitarren und der Live-Sprecher kommentieren und konterkarieren dieses akustische (Selbst-) Portrait Olevanos und treten mit ihm und untereinander in einen wechselseitigen, sich gelegentlich autonomisierenden Dialog. Immer aber reagieren sie auf das zum Teil chaogene Wahrnehmungsangebot. Sprachliche Bestandteile flottieren in diesem Kontext beständig zwischen dem gerade noch und dem nicht mehr Verständlichen, zwischen Gesprochenem und dem als paralinguistische Äußerung Identifizierbarem.
Verse von Petrarca rezitiert der Sprecher als Hommage an die italienische Sprache, ohne des Italienischen mächtig zu sein. Auch bietet der Händler keine arance dal marocco an, wie der Sprecher stets zu hören glaubte, als er noch vor Ort war.
- Festivaljahrgänge
- Donaueschinger Musiktage 2002
- Themen in diesem Beitrag
- Michael Lentz, Zoro Babel, Arance Dal Marocco. Text-Sound Komposition, Sprechen, Talkbox, elektrische Gitarren, Gitarrenmaschinen, Live Elektronik, 8-Spur Tonband
- Verwandte Beiträge
- Werke des Jahres 2007: Michael Lentz und Ulrich Winters' "Zurück", Werke des Jahres 2014: Michael Lentz' "Hotel zur Ewigen Lampe – operative Vorgänge", Werke des Jahres 1999: Zoro Babels "töne aus sichten", Michael Lentz über "Hotel zur ewigen Lampe – operative Vorgänge, eine Sprechplastik", Eröffnungstag: Hans Zender, Michael Lentz, Chiyoko Szlavnic und Klanginstallationen