Gerhard E. Winkler
Der österreichische Künstler setzt in seiner Videoinstallation auf die Beteiligung des Publikums. Ein Knopfdruck löst die akustische und optische Aufzeichnung des Besuchers aus, die etwa drei Sekunden andauert und deren Material fortan in verschiedenen Verarbeitungen und Abständen im Raum wiedergegeben wird.
Auf drei Videowänden mischen sich in schnellen Wechseln die transformierten Aufnahmen der Besucher mit fragmentarischem, vorab erstelltem Material; aus den im Raum verteilten Lautsprechern klingen die zersplitterten Sprachsamples.
Gerhard E. Winkler über seine Arbeit:
Der Klang
In der Mitte eines runden und abgedunkelten Raumes befindet sich ein Mikrophon, mit dem die Besucher ein drei Sekunden langes Sprachsample aufnehmen können. Dieses Sample wird zuerst knapp hintereinander, dann aber in zunehmend längeren Abständen wiederholt, wobei es jedesmal stärker in "Grains" von 0.02" bis 0.1" Länge aufgesplittert wird. Diese Grains bewegen sich wie "Staubkörner" in einem mehrdimensionalen Transformationsraum mit jeder Wiederholung immer weiter um mehrere Schritte voneinander weg: zeitlich, klanglich (Filter, Hall), klangräumlich, transponiert, dilatiert, etc. Zugleich wandern diese Splitter immer weiter in den "umgebenden" Klangraum hinein (die ersten Wiederholungen der Samples erklingen von einem zentralen Lautsprecher oberhalb des Mikrophons) und verschmelzen immer mehr mit den vielen "Spuren"- Splittern anderer, schon vorher aufgenommener Sprachsamples anderer Besucher, die wie "Wolken" von Staubteilchen ständig im Installationsraum "umherschwirren" (auf 6 Lautsprechern rund um den Installationsraum). Jedes dieser "virtuellen" Teilchen besitzt eine Art "Gravitationsfeld", wodurch es zu Interaktionen zwischen den Teilchen kommt, die sich, bei entsprechender Nähe, aneinander binden können. Dadurch entstehen ständig neue selbstorganisierte Muster, auch wenn gerade niemand sich im Installationsraum befindet.
Die Videos
Gleichzeitig mit den Sprachsamples wird eine Videoaufnahme des/der Besuchers/Besucherin gespeichert, die in bestimmten Abständen, ähnlich den Klang-Grains, aufgerufen und transformiert wird. Dazu mischen sich zeitlich genau voraufgenommene Splitter von Sprech-, Seh- und Hörorganen in verschiedenen Abstraktionsstufen. Die Interaktion all dieser optischen Grains erfolgt analog der Klangsteuerung. Die Fragmente werden über 3 Videobeamer an die Wände des Installationsraumes projiziert.
Die Verbindung Bild-Klang
Die "virtuellen" Gravitationsfelder der Bild- und der Klanggrains wirken auch aufeinander ein, so daß die Musterbildungsprozesse beide Ebenen wechselseitig erfassen.
Die Simulation
Der Installation liegt die Idee eines thermodynamischen Modell- "Universums" zugrunde, in dem Teilchen driften und zwischen den Zuständen von Chaos und Ordnung sich selbst organisieren. Die "Spuren" (Bilder, Klänge) der Besucher gehen nicht verloren, vermischen sich aber mit der Zeit immer mehr mit anderen. Die Metaphorik dieses Bildes weist über das Individuum hinaus. Die Klangprogramme wurden vom Komponisten auf 1 SGI (02) mit Max/fts ©IRCAM) erstellt, die Videosteuerung erfolgt auf drei vernetzten SGI (02) Maschinen. Das Simulationsprogramm (vom Komponisten mit Max/Opcode programmiert) läuft auf einem Macintosh-PC. Das Script zur Live-Steuerung der Videos wurde speziell für diese Installation entworfen. Die Vorbereitung sowie Durchführung der Installation erfolgt in einer Zusammenarbeit mit der MultiMediaArt-Fachhochschule des TechnoZ Salzburg.
- Festivaljahrgänge
- Donaueschinger Musiktage 1998
- Themen in diesem Beitrag
- Gerhard E. Winkler, VESTIGES, Interaktive Klang-Video-Installation
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- Werke des Jahres 2004: Gerhard E. Winklers "Terra Incognita", Bikini . Atoll