Donaueschinger Musiktage 2014 | Werkbeschreibung

Werke des Jahres 2014: "Explanation"

Stand
Autor/in
Chris Newman, aus dem Englischen: Nele Haller

Explanation

Lange Zeit war es mein Bestreben, das Mediumhafte des Mediums, das Musikalische der Musik, das Malerische der Malerei, das Videohafte der Videos auszulöschen. Ich hätte gerne, dass es etwas näher an der Direktheit wäre, damit einige der äußeren Umstände des Mediums weggewischt werden. Damit die Oberfläche etwas angekratzt wird. Die Möglichkeit, Werke gleichzeitig über verschiedene Medien einer ähnlichen Machart zu präsentieren, ist ein Weg, den Schein eines Mediums sowie auch den Ballast, den es mit sich bringt, zu entfernen.
Natürlich ist das Medium (besonders im Falle der Musik) immer trügerisch und schleicht durch die Hintertür hinein. Somit kann es immer nur eine partielle Entfernung sein.

Das Streichquartett mit dem Titel Unwritten Quartet (SQ 12), das hier aufgeführt wird, ist von zwei bereits geschriebenen Meisterwerken bestimmt: von Sibelius' und Beethovens 5. Sinfonien. Diese beiden Kompositionen führen schrittweise durch die Landschaften meines Quartetts, schichten dann Passagen auf, um einen teilweise gesicherten, stabilen Zustand zu kreieren.

Dass ich diese beiden berühmten Werke der Vergangenheit verwendet habe, sollte nicht im Sinne eines Zitats oder einer Collage verstanden werden – was ich verabscheue –, sondern als Verwendung von deutlichen Gegenständen der Außenwelt, um sie zu verinnerlichen und das Material mit sich selbst zu verschränken. Es ist der Ansatz, um ein Modell für das Phänomen des Aktes der Erinnerung zu schaffen. Dies ist vielleicht so etwas wie ein Musik-Essay, in dem Sinne, wie beispielsweise Chris Marker Film-Essays drehte.

Das Video, das im hinteren Raum projiziert wird, ist ein Zusammenschnitt von Passagen aus Douglas Sirks Written on the Wind und Michelangelo Antonionis Blow up und versucht das Gleiche wie das Unwritten quartet. Die Bilder, die in dem Raum, in welchem das Streichquartett sitzt, verteilt hängen und die Videos des Monitor-Turms behandeln grundsätzlich existentielle Bedingungen jener Umstände, mit denen das Quartett und die Videoprojektionen den Innenraum formen, ähnlich einer die Nuss umhüllenden Schokolade.

Stand
Autor/in
Chris Newman, aus dem Englischen: Nele Haller