Das Orchestre National de France (ONF) gilt als eines der besten Orchester Frankreichs und versteht sich als Botschafter der französischen Kultur. In diesem Jahr feiert das Orchester seinen 90. Geburtstag mit einem eigenen Festival französischer Musik in Paris und geht auf Europatournee mit Konzerten in Deutschland, Österreich und Spanien.
In einer Linie mit Bernstein, Ozawa, Celibidache und Maazel
Das Théâtre des Champs-Élysées ist an einem Donnerstagabend im März so gut wie ausverkauft, keine Event-Touristen, dafür ein sehr aufmerksames französisches Publikum. Auf dem Programm steht ein Leckerbissen des französischen Repertoires: Hector Berlioz‘ gewaltige Oper „La damnation de Faust“ in einer konzertanten Aufführung.
Cristian Măcelaru ist seit 2020 Chefdirigent des Orchestre National de France. Er folgte dem Ruf nach Paris nur zu gern. Das ONF sei ein Orchester, das über die 90 Jahre seiner Existenz einen künstlerischen Standard gehalten habe, der wirklich bemerkenswert ist, so der Rumäne
ONF-Jubiläumskonzert: „La damnation de Faust“
Aufbauen und Verfeinern als Kernaufgabe
Ein Nachfolger großer Dirigenten wird immer auch an seinen Vorgängern gemessen. Aber worin sieht Cristian Măcelarus seine eigenen Aufgaben? „Mein Ziel war, die Möglichkeiten zu erkunden, was noch schöner, noch interessanter und noch kreativer sein könnte“, so Măcelaru. „Ich habe mittlerweile etwa zwanzig Musiker im Orchester neu eingestellt. Ein Teil meines Jobs ist auch, den Charakter des Ensembles zu erhalten, wie er war. Also, wenn ich es kurz beschreiben ist, ist es: Aufbauen und verfeinern.“
Măcelaru zieht dabei an einem Strang mit Johannes Neubert, dem künstlerischen Geschäftsführer des Orchesters. Der in Jena geborene Kulturmanager hat bereits viele prominente Karrierestationen absolviert, war unter anderem Orchesterdirektor der Sächsischen Staatskapelle Dresden und am Wiener Konzerthaus tätig.
Neubert arbeitet bereits ein Jahr länger als Măcelaru mit Begeisterung für das Orchestre National de France. „Für mich ist es das Französischste hier in Paris“, erklärt Neubert. „Und was sind die Charakteristika dieser Klangkultur: Es ist sehr fein, es ist sehr transparent, vor allem die Streicher sind deutlich transparenter als in Wien, was alles sehr viel durchhörbarer macht!“
Auch bei den Bläsern gibt es eine Tradition, die sich von denen anderer europäischer Spitzenorchester deutlich unterscheidet. Neubert erklärt: „In unserem Orchester werden also auch ausschließlich die französischen Fagotte, das französische Basson verwendet. Das ist viel obertonreicher! Die restlichen Holzbläser spielen anders, feiner, ein Stückchen weniger laut. Aber nuancenreicher, sehr auf Farbenreichtum orientiert.“
Cristian Măcelaru dirigiert Saint-Saëns, Fauré und Skrjabin
Der Klang ist in ständiger Bewegung
„Der Klang dieses Ensembles ist… so schön, so subtil, in ständiger Bewegung“, erklärt Cristian Măcelaru die besondere Qualität seines Orchesters. „Es ist nie ein direkter Klang, es ist wie, wenn man auf Wasser schaut, man sieht es nie vollkommen flach, es bewegt sich immer ein bisschen, selbst wenn da gar kein Wind ist. Und das ist dieser Klang des Orchesters, den ich wirklich liebe.“
Berlioz klingt in Paris tatsächlich anders und leichter. Hier hört man irisierende Farben, eine warme, doch niemals schwere Klangfülle. Cristian Măcelaru ist es ein Anliegen, als Botschafter der französischen Musik zu wirken. Auf der Europatour nun unter anderem mit Musik von Camille Saint-Saëns.
Album-Tipp Cristian Măcelaru dirigiert George Enescus Orchestermusik
George Enescu? Schon mal gehört, würden wohl die meisten Klassikfreunde antworten – zumindest den Namen. Dabei gilt Enescu in seiner Heimat Rumänien als einer der ganz Großen, wie auch für seine wenigen, aber umso eingeschworeneren Verehrer. Jetzt gibt es ein neues Triple-Album mit Orchestermusik von Enescu. Gelegenheit, endlich mehr als bloß den Namen kennenzulernen, auch wenn SWR Kultur-Kritiker Albrecht Selge diese Neueinspielung eher gediegen denn mitreißend findet.