Buchkritik

Peter Probst – Was ist afrikanische Kunst?

Stand
Autor/in
Andreas Puff-Trojan

Was ist eigentliche „afrikanische Kunst?“ Der Ethnologe und Kunsthistoriker Peter Probst gibt auf diese Frage profunde Antworten. Die Themen reichen von afrikanischer Volkskunst, die im Zeitalter des Kolonialismus in großen Mengen nach Europa und in die USA transferiert wurde, über das ethnologische Interesse des Westens bis zur Gegenwart. Erst hier erlangen Künstlerinnen und Künstler das Selbstbewusstsein, eigenständige Werke zu gestalten.

„Afrika“ – das meint Länder wie Senegal, Nigeria, Angola oder Südafrika. Mit „Kunst aus Afrika“ ist zudem die langjährige und düstere Geschichte des Kolonialismus mitgemeint.

Der Ethnologe und Kunsthistoriker Peter Probst liefert in seinem Buch „Was ist afrikanische Kunst? Eine kurze Geschichte“ einen Überblick. Und das Wort „kurz“ ist relativ zu bewerten. Denn immerhin hat sein Buch 337 Seiten mit 92 Abbildungen.  

Ich schlage vor, (Kunst-)Objekte nicht primär als ästhetische, sondern als soziale Objekte zu verstehen. (…) Vielmehr bin ich daran interessiert, auf welche Weise die als ›afrikanische Kunst‹ bezeichneten Werke in jenen historischen Prozessen und sozialen Interaktionen erscheinen, die das Feld der afrikanischen Kunstgeschichte konstituieren. 

Eine Gesamtschau von späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart 

Das, was Peter Probst mit seinem Buch liefern will, ist eine in die Tiefe gehende Gesamtschau: Der erste Teil dieses Buches behandelt die Periode vom späten neunzehnten Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg, in der die afrikanische Kunst sowohl von ethnologischem Interesse war als auch zum musealen Sammlerobjekt avancierte.

Teil zwei beschreibt die Nachkriegszeit bis in die 1980er Jahre, wobei die zeitgenössische Kunst aus Afrika – zögernd, aber doch – ins Blickfeld rückt. Der dritte und letzte Teil untersucht das Aufkommen der postmodernen und postkolonialen Theorien, die zu einem eigenständigen Bewusstsein afrikanischer Künstlerinnen und Künstler hinsichtlich ihrer Kreativität, Produktion und Tradition geführt haben. 

Afrikanische Kunst und Kolonialismus 

Die Ausbeutung Afrikas durch den Kolonialismus ist die eine, tragische Seite. Die andere ist das ethnologische und kunsthistorische Interesse an afrikanischer Kunst durch die Europäer. Ein schönes Beispiel, das Probst anführt, ist das Königliche Museum in Berlin: Im Gründungsjahr 1873 bestand die Afrika-Sammlung aus 875 Objekten.

Und bis 1914 umfasste die Sammlung über 55.000 Objekte. Dieses Interesse zeigte sich auch bei zeitgenössischen Künstlern: Pablo Picasso hatte eine eigene Sammlung und in vielen seinen Bildern kann man Motive afrikanischer Kunst aufspüren.

Nur eines macht Peter Probst auch klar: Das Interesse galt der Tradition afrikanischer Kunst, also dem Kunsthandwerk als Kultobjekt.  

Afrikanische zeitgenössische Kunst als selbstbewusste Manifestation 

Erst in den 1970er Jahren stieg in Europa und den USA das ernsthafte Interesse an „neoafrikanischen“, also zeitgenössischen Kunstformen. Damit stärkte sich auch das Selbstbewusstsein afrikanischer Künstlerinnen und Künstler.

Yinka Shonibare, nigerianisch-britischer Abstammung und in den Bereichen Skulptur, Fotografie, Malerei und Installation tätig, hat es in einem ironisch-provokativen Statement auf den Punkt gebracht: 

Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Primitiver, und zwar ein echter Primitiver. Ein Primitiver, der jenseits der Zivilisation lebt, ein Primitiver im Zustand eines immerwährenden Genusses, ein Primitiver des Exzesses. Ich glaube, mir würde das wirklich Spaß machen. 

Mit seinem Buch „Was ist afrikanische Kunst?“ leistet Peter Probst einen kaum zu unterschätzenden Beitrag. Auf der einen Seite hat er stets den geschichtlich-sozialen Raum im Blick, in dem afrikanische Kunst sichtbar wird.

Andererseits liefert er eine detaillierte Übersicht zu zeitgenössischen Kunstmanifestationen, die in immer stärkerem Maße von kreativer Eigenständigkeit zeugen. Wer über Kunst aus Afrika mehr wissen möchte, wird an Peter Probsts „Was ist afrikanische Kunst?“ nicht vorbeikommen. 

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Aus dem Englischen von Karin Schuler, Thomas Stauder und Andreas Thomsen
Klett-Cotta Verlag, 512 Seiten, 35 Euro
ISBN 978-3-608-98667-9

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