Band 2 der Anderen Bibliothek war Driss Ben Hamed Charhadis „Ein Leben voller Fallgruben“, die Geschichte eines marokkanischen Kleinkriminellen.
Ich bin Alexander Wasner, Kulturredakteur beim SWR und „Die andere Bibliothek“ war für mich sowas wie eine Offenbarung. Literaturwissenschaft habe ich in den 80ern gegen den entschiedenen Rat meines Deutschlehrers studiert. Er wollte Klassiker im Stil der 50er besprechen, ich wollte was anderes. In meinem Ketzertum fühlte ich mich durch die Andere Bibliothek bestätigt.
1985 habe ich meinen Buchhändler jeden letzten Donnerstag im Monat belauert, um eins der Vorschauhefte zu ergattern. Es war eine echt wilde Mischung: am Anfang die Lügengeschichten des Lukian von Samosata, dann Barbey d’Aurevilly über den Dandy, in Samt eingeschlagen, etc. – die frühen Titel sparte ich ernsthaft vom BaföG ab, nur um meinem Deutschlehrer zu zeigen, dass es bessere Autoritäten gab als ihn. Besonders tat es mir Band 2 an, der zwischen den Lügengeschichten und dem Dandy. Driss Ben Hahmed Charhadi, „Ein Leben voller Fallgruben“.
Eine Entdeckung von Paul Bowles. Es geht um einen Underdog in Marokko, er wird vom Stiefvater ins Kinderheim geschickt, wird aber bald wieder rausgeholt, weil die Familienehre das nicht zulässt. Wenn er mal Geld hat, nimmt ihm der Stiefvater das gleich wieder ab. Er bekommt einfach keine Chance. Und so verloren ist dann halt auch der Rest des Lebens – er kifft und stiehlt, Liebe gibt es nur bei Huren und da auch nur zusammen mit Prügel, er wohnt auf der Straße und in Gefängnissen.
Erzählt aber wird das ohne jede Anklage, ohne Psychologie, nur im Hier und jetzt. Charhadi hat den Text auf Tonband eingesprochen, Paul Bowles hat es nur abgetippt. Ein irres Buch, auch heute noch.
Driss Ben Hamed Charhadi: Ein Leben voller Fallgruben, Franz Greno 1985, jetzt im Aufbau Verlag, Übersetzt von Anne Ruth Strauß, 352 Seiten
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