Arun lernt Virendra und Aseem an einer indischen Elite-Uni kennen. Dass es die drei so weit gebracht haben, grenzt an ein Wunder, denn sie gehören unteren, sozial benachteiligten Kasten an. Inzwischen fast fünfzigjährig, schreibt er darüber – für Alia, eine reiche, muslimische Schriftstellerin, die er nach einer Liaison kürzlich verlassen hat.
Da er nie viel von sich preisgegeben hat, nimmt er die Trennung zum Anlass, ihr nun doch noch seine Lebensgeschichte zu erzählen. Stimmig ist diese von Pankaj Mishra für seinen Roman „Goldschakal“ gewählte Erzählform allerdings über weite Strecken nicht, denn Arun würde seiner Ex-Freundin in einem Brief oder einem an sie gerichteten Buch wohl kaum ausführlich von gemeinsamen Erlebnissen berichten.
Quälende Rituale an indischen Universitäten
Lediglich im ersten der vier großen Kapitel passt die Form zum Inhalt, und dies ist auch der einzige wirklich lesenswerte und berührende Teil des Buches. Was Arun da über seine Kindheit und Jugend schreibt, kann Alia nicht wissen, da sie als reiche Muslimin mit Aruns Dalit-Welt keinerlei Berührungspunkte hat.
Er beginnt mit den grausamen Aufnahmeritualen an der Elite-Uni, bei denen er Virendra und Aseem zum ersten Mal begegnet. Dass sie auf allen vieren wie Hunde bellen müssen, ist noch die harmloseste der vielen Demütigungen und körperlichen Züchtigungen, die die drei dort erfahren. Nur Angehörige der unteren Kasten werden derart gequält. Es spielt keine Rolle, dass die drei jungen Männer zu den besten Schülern in ganz Indien zählten.
Die Eltern haben sich ihre gute Erziehung buchstäblich vom Munde abgespart. Weil Arun eine weiterführende Schule besuchen sollte, musste seine jüngere Schwester auf den Schulbesuch verzichten. Die detailgenaue Beschreibung der Lebens- und vor allem der Hygienebedingungen, unter denen Arun und die meisten Menschen der unteren Kasten zu leiden haben, sind nichts für empfindliche Gemüter. Aruns Vater verlässt die Mutter, und würde nicht der Sohn sie unterstützen, würde sie, wie viele Frauen der unteren Kasten, elend zugrunde gehen.
Sich einfach als Brahmane ausgeben
Die folgenden beiden Kapitel erzählen vom weiteren Werdegang der drei Männer nach der Uni. Virendra macht als IT-Mann ein Milliarden-Vermögen in den USA und unterstützt Aseem bei der Herausgabe einer Literaturzeitschrift. Aseem, der Literaturguru und Autor erfolgreicher Bücher, pendelt zwischen Delhi und London.
Nur Arun bleibt in Indien, sieht man von einem Ausflug nach London an der Seite Alias ab. Nach dem Uni-Examen erleichtert er sich das Leben, in dem er sich durch eine nicht näher beschriebene Änderung an seinem Namen nun als Brahmane ausgibt. Er zieht mit seiner Mutter in ein Dorf und arbeitet als Übersetzer. Dort bewegt er sich in der Natur und denkt nach – beispielsweise über die indische Politik.
Für die deutsche Leserschaft sind seine Überlegungen allerdings nicht immer nachvollziehbar, weil man die politischen Zusammenhänge nicht kennt. Da wären Erläuterungen hilfreich gewesen. Außerdem wimmelt das Buch von indischen Begriffen. Irgendwann wird man das Nachschlagen leid, ein Glossar sucht man vergeblich. Obendrein fragt man sich, warum ständig Sätze auf Hindi abgedruckt werden.
Kastensystem bleibt unüberwindbar
Streckenweise verwechselt der Autor den Roman zudem mit einem Essay und instrumentalisiert seine Romanfiguren, um die negativen Seiten der Globalisierung und der damit einhergehenden Emigration vieler Inder aufzuzeigen. Ihrer Heimat entfremdet und entwurzelt, müssen Virendra und Aseem im Ausland spektakulär scheitern.
Auch seine Hauptfigur Arun kann sich in den Monaten in London nicht einleben. Und seine Beziehung zu Alia hält er nicht aus, weil er finanziell nicht mit ihr mithalten kann. Macho bleibt Macho. Im letzten Kapitel dann findet Arun seinen Frieden – allein, in einem Kloster.
Der Roman transportiert die Message, dass Inder am besten in Indien aufgehoben sind, und dass, wer einmal arm war, nie wirklich mit Reichtum umgehen kann. Letztendlich erklärt er damit das Kastensystem für nicht überwindbar. Das vielfach frustrierende Buch kommt an die schillernden, dicht erzählten Romane eines Vikram Seth oder einer Arundhati Roy nicht heran.