SWR2 lesenswert Kritik

Mark Arax – Risse in der Erde. Auf den Spuren von Wasser und Staub durch Kalifornien

Stand
Autor/in
Claudia Fuchs

Der kalifornische Journalist Mark Arax zeigt in einem glänzend recherchierten Sachbuch, welche Folgen die rücksichtslose Ausbeutung der natürlichen Wasser-Ressourcen für Menschen und Umwelt in seinem Heimatstaat hat.

Audio herunterladen (4,2 MB | MP3)

Interviews mit Farmern und Erntearbeitern ergänzen eine Chronologie der Agrarrevolution in Kalifornien, für die natürliche Grenzen nie gegolten haben.

Dieses Buch ist ein Augenöffner. Über siebenhundert Seiten lang hat sich der kalifornische Autor Mark Arax unter dem Titel „Risse in der Erde“ auf die Spuren von Wasser und Staub durch Kalifornien begeben. Wer dieses Buch liest, wird sich von seinem durch Filme und Musik geprägten kalifornischen Traumbild endgültig verabschieden.

Mark Arax, der als Reporter lange für die „Los Angeles Times“ arbeitete, hat mit dieser Chronologie eines unfassbaren Wasserraubs ein journalistisches Glanzstück vorgelegt. In vier Kapiteln nimmt er uns mit auf eine historische Reise durch das kalifornische Central Valley, das durch den harschen Wechsel von Dürre und Überschwemmung geprägt ist. Das ist der natürliche Zustand, den die Siedler vorfanden, die die Grenze immer weiter nach Westen bis zur Pazifikküste verschoben.

Starker Eingriff in die Natur: ein künstliches Bewässerungssystem

Ein Teil des Tals ist extrem trocken und der Boden ist von minderer Qualität. Heute ist Kalifornien der größte Produzent von Obst, Gemüse und Nüssen in den gesamten USA. Möglich wurde dies durch ein teures, hoch aufwendiges System von Aquädukten, Kanälen und Dämmen, die das Wasser der Flüsse aus dem regenreicheren Norden des Tals in den Süden umleiten. Knochentrockene Flächen werden durch Rohre und Tropfleitungen in fruchtbaren Ackerboden verwandelt, dessen Ernten für wenige Großgrundbesitzer Milliardengewinne abwerfen. So wird beispielsweise das Schmelzwasser aus den Bergen der Sierra Nevada über Hunderte von Kilometern auf großflächige Obst- und Gemüsefelder transportiert, die fernab von jedem Fluss liegen.

„Die Negation der Natur ist in dem kalifornischen Farmer tief verwurzelt“, schreibt Mark Arax. Das Ausmaß dieser Realitätsleugnung hat furchtbare Folgen für Mensch und Umwelt. Der Autor, der acht Jahre für dieses Buch recherchierte und dreihundert Interviews führte, trägt in einer Mischung aus Reportage, historischer Abhandlung und persönlichen Erinnerungen die Details einer Umweltzerstörung von erschreckendem Ausmaß zusammen. 

Natürliche Grenzen werden aus Profitgier permanent überschritten

Bund und Staat sind für die hydraulischen Systeme verantwortlich, die Wasser dorthin bringen, wo es nie vorhanden war. Auf diese Weise soll „Gottes ungleicher Plan von Kalifornien“, wie Arax es nennt, durch ausgeklügelte Bewässerungstechnik korrigiert werden.

Wenn mangelnder Schnee oder Regen die künstliche Wasserzufuhr dezimieren, überschreiten die finanzkräftigen Landwirtschaftsunternehmer im dürregeplagten Teil des Tals bedenkenlos die nächste natürliche Grenze. Sie bauen elektrische Pumpen, die das jahrhundertealte unterirdische Wasserreservoir anzapfen, um den Profit aus ihren wasserdurstigen, riesigen Anbauflächen zu sichern. Diese Unmenge an Bohrlöchern - bis zu siebenhundert Meter tief - führt zu tiefen Rissen in der Erde, die sich in bedrohlicher Geschwindigkeit absenkt. Straßen werden zu Buckelpisten, Brücken stürzen ein und Flüsse versickern im Nirgendwo. Die Fotos, die diese Gewaltakte im Buch dokumentieren, sind erschütternd.

Trotz der überwältigenden Menge an Details liest das Buch sich leicht und bleibt spannend. Arax gelingt es mit Kurzporträts seiner Protagonisten, die Geschichte einer beispiellosen Ausbeutung lebendig zu erzählen.  Gewiefte Marketingexpertinnen und unersättliche Großfarmer besucht der Autor für Interviews in ihren prachtvollen Villen, die weitab von den Feldern und den Wohnwagensiedlungen der mexikanischen Erntearbeiter liegen. Das braune Wasser in den Trailern „kommt wie Pisse aus dem Hahn“, sagt die elfjährige Tochter eines Arbeiters. Den knappen Platz muss sich die Familie mit Stapeln von Trinkwasserflaschen teilen.

Nach der Lektüre blickt man anders auf das kostbare Gut Wasser

„In Kalifornien ist die Dürre nicht die Natur. Die Dürre ist der Mensch“, stellt Arax fest. Umweltschutzauflagen für aussterbende Fischarten und Vögel an den Ufern verseuchter Seen nehmen die Farmer allenfalls als Störmaßnahme wahr. Politiker übersehen bewusst, dass Wasser illegal umgeleitet wird und Auflagen zur Begrenzung der Farmgröße unterlaufen werden.

Dieses Buch, in dem man so viel lernt über die Geschichte des „Golden State“ und seinen unbarmherzigen Versuch, die Natur zu überlisten, schockiert, klärt auf und macht auch traurig, weil keine Wende in Sicht ist. Den eigenen Umgang mit dem kostbaren Wasser nimmt man nach der Lektüre bewusster wahr und die Tüten mit kalifornischen Walnüssen lässt man erst einmal im Regal liegen.

Stand
Autor/in
Claudia Fuchs