Lize Spits neuer Roman spielt Ende der 1990er Jahre, zur Zeit des Kosovokrieges. Aus einem Dorf in Flandern soll eine zehnköpfige kosovarische Familie wieder in ihre Heimat abgeschoben werden. Die Dorfgemeinschaft, vor allem aber der junge Jimmy, haben etwas dagegen.
Es gibt Geschichten, die genau so und kein bisschen anders erzählt werden wollen. Dazu gehört „Der ehrliche Finder“ der flämischen Bestsellerautorin Lize Spit. Da stimmt alles, Tonfall, Dialoge, Perspektive. Vor allem aber die Denkweise und Weltsicht eines eigenwilligen Jungen.
Die Geschichte, die in Flandern spielt, handelt von der Freundschaft zwischen dem zwölfjährigen Jimmy und dem etwas älteren Tristan aus der geflüchteten kosovarischen Familie Ibrahimi. Das erinnert ein wenig an Wolfgang Herrndorfs „Tschick“.
So wie Herrndorfs Ich-Erzähler Maik Klingenberg leidet auch Spits jugendlicher Held Jimmy unter der Trennung seiner Eltern und ist in der Schule ein Außenseiter. Solange, bis Tristan dort auftaucht und mit ihm eine neue, aufregende Freundschaftsmöglichkeit:
Außergewöhnliche Freundschaft unter Außenseitern
Jimmy fährt regelmäßig die Straßen seines Viertels mit dem Mountainbike ab, um verlorene Münzen und andere Dinge aufzuspüren. Er betrachtet sich als „Sammler von Weltrang“.
Seine freien Stunden nutzt er, um sich hingebungsvoll mit seiner Flippo-Sammlung zu beschäftigen. Flippos waren kleine Plastikscheiben, auf denen Zeichentrickfiguren abgebildet waren. Sie steckten in Chipstüten und lösten in den späten 1990er Jahren in Belgien und Holland einen regelrechten Hype aus.
Jimmy verwaltet seine Flippos in Sammelmappen, poliert sie regelmäßig und legt auch für Tristan eigene Alben an. Integration bedeutet für ihn, den Freund aus dem Kosovo ins Flippo-Universum einzuführen.
Eine Flüchtlingsgeschichte nach wahrer Begebenheit
Lize Spits Geschichte spielt in einer von heute aus betrachtet noch relativ harmlosen Frühzeit der Fluchtbewegungen. Noch gab es kein „Wir schaffen das“, keine geschlossenen EU-Außengrenzen und keine gesellschaftlichen Großdebatten um Migration und Überfremdung.
Vielmehr war es selbstverständlich, die Geflüchteten in der Dorfgemeinschaft aufzunehmen. Im Roman werden die Ibrahimis so sehr mit allem versorgt, was sie nicht brauchen und was ansonsten vielleicht im Sperrmüll gelandet wäre, dass sie schließlich ein Schild im Garten aufstellen:
Schon Lize Spits Debütroman „Und es schmilzt“, der 2016 auf Platz 1 der belgischen Bestsellerliste stand, spielte in ihrem Herkunftsort Viersel, war aber so düster und abgründig, dass das Bedürfnis in ihr zurückgeblieben sein mag, nun doch noch etwas Freundlicheres über Viersel zu schreiben.
Dafür greift sie auf eine wahre Begebenheit zurück. 1999 sollte eine aus dem Kosovo geflüchtete Familie ausgewiesen werden, erhielt aber nach massiven Protesten des Dorfes schließlich doch Asyl. Im Roman versucht Tristan mit Jimmys Hilfe, die Entscheidung dadurch zu erzwingen, dass er eine Heldentat begeht. Er muss Jimmy das Leben retten, dann wird niemand mehr wagen, ihn und seine Familie abzuschieben.
Eine heitere Geschichte trotz des ernsten Hintergrunds
Weil sie ganz aus der kindlichen Perspektive erzählt, gelingt es Lize Spit, diesen eigentlich sehr ernsten Ereignishintergrund und auch all die eingestreuten, der Flucht vorausgehenden schrecklichen Ereignisse im Kosovokrieg in etwas Heiteres, Leichtes zu verwandeln.
Der Horizont ist begrenzt, weil Jimmy nicht alles versteht, was ihm begegnet. „Der ehrliche Finder“ ist nicht zuletzt wegen seines so sympathisch verschrobenen Helden ein ungemein komisches Buch, das den Glauben an das Gute im Menschen stärkt.
Und Jimmy akzeptiert schließlich sogar die äußerst schmerzliche Erfahrung, dass es im Leben und draußen in der Welt Wichtigeres gibt als seine Flippo-Sammlung.