Sind Liebesbriefe aus der Zeit gefallen?
So umschwärmt ein gewisser Herr Borener seine Angebetete Lotte. Das Zitat stammt aus dem Jahr 1715 und ist das älteste Schreiben im Liebesbrief-Archiv Koblenz-Darmstadt. So schwülstig geht es heute nur noch selten zu. Auch wenn sich die Methoden über die Jahrhunderte verändert haben, das Ziel ist immer gleich: Die Liebe oder Zuneigung gegenüber einer Person auszudrücken. Immer mit der Hoffnung, dass das Gefühl erwidert wird.
Liebesbriefe müssen emotional berühren, um wirken zu können. Im digitalen Zeitalter reicht manchmal auch nur ein Symbol, um seine Zuneigung zu zeigen. „Es gibt Paare mit einer Art offenem Kanal“, sagt die Sprachwissenschaftlerin Eva Lia Wyss, die an der Universität Koblenz-Landau lehrt. „Sie schreiben sich tagsüber alle drei Stunden oder sogar jede halbe Stunde.“
Bücher über Liebesbriefe werden durch den Buchdruck populär
Einfach mal eine Emoji rüberschicken, das ging früher natürlich nicht. Es ging darum die richtigen Worte zu finden. Als Johannes Gutenberg den Buchdruck erfand, nahm auch die schriftliche Kommunikation – und dabei ganz besonders der schriftliche Austausch zwischen Liebenden an Fahrt auf.
So gingen etwa die Brüder Johann und Wendelin de Spira (von Speyer) nach Venedig, im 15. Jahrhundert ein Hot Spot für innovative Ideen. Dort wollten sie ihre in Mainz erworbenen Buchdrucker-Kenntnisse umsetzen und gründeten 1466 eine Druckerei. Was sollten sie drucken, um Geld zu verdienen? Sie entschieden sich für ein Buch über Regeln zum Briefeschreiben, Ciceros „Epistolae ad familiares“ („Briefe an Freunde“).
Offenbar hatten sie den Bedarf richtig eingeschätzt, denn noch im gleichen Jahr mussten sie eine zweite Auflage drucken – die Menschen wollten schriftlich kommunizieren, wussten aber nicht wie. Bekannte Wissenschaftler, Rektoren der neuen Universitäten, ließen ihre bisherigen Vorlesungen über Rhetorik und Briefeschreiben nun drucken.
Ab dem 17. Jahrhundert setzte sich für diese Buchgattung der Begriff „Briefsteller“ durch, abgeleitet vom Akteur, dem Briefschreiber – Briefsteller – in Analogie zum Schriftsteller.
Regeln für Liebesbriefe in frühen Briefstellern
Der Venezianer Franceco Niger verfasste bereits 1488 in Venedig eine Briefschreiblehre, die zwanzig verschiedene Briefgattungen unterscheidet. Dort heißt es:
Die sechste darunter behandelt die Liebesbriefe. Interessant ist, dass der große europäische Humanist Erasmus von Rotterdam in seiner 1522 in Basel gedruckten Brieflehre die Regeln von Niger weitgehend übernommen hat. Das Werk erlebte über 80 Auflagen in mehr als 140 Jahren – ein absoluter Beststeller, der auch heute noch hilft, die richtigen Worte zu finden:
Traditionelle Liebesbriefe sind nicht ausgestorben
Heute geht der Trend zu immer weniger Text, stattdessen zeigen Fotos und Emojis die Gefühle. Ein digital animiert klopfendes Herz statt duftender Briefumschläge und ausgewählten Worten in schnörkeliger Tintenschrift.
Ein wenig schade ist das schon, doch die traditionellen Liebesbriefe sind laut Sprachwissenschaftlerin Wyss trotzdem nicht ausgestorben. Die Kalligrafie, also die Kunst der schönen Handschrift, ist wieder im Trend. „Zu besonderen Anlässen wie Geburtstagen und Hochzeitstagen schreiben Leute noch Briefe mit der Hand, auch auf Büttenpapier und schön dekoriert.“
Übrigens: „Schatz“ oder „Schatzi“ ist nach Angaben der Darmstädter Linguistik-Professorin Andrea Rapp der häufigste Kosename in Liebesbriefen – und das schon seit dem 19. Jahrhundert. Ihre Kollegin Eva Lia Wyss sagt, Verniedlichungen wie „Engelein“ und „Prinzesschen“ seien ebenfalls beliebt. Je nach Beziehung würden Kosenamen auch weniger romantisch und leidenschaftlich als vielmehr scherzhaft und originell gewählt.
Für Amy Winehouse wurde ein Liebesbrief zum Problem
Ein gelungener Liebesbrief kann eine Inspiration sein, im Fall von Sängerin Amy Winehouse aber auch wenig romantische Folgen haben.
Ein Liebesbrief kam Amy Winehouse ausgerechnet bei ihrer Scheidung mit Blake Fielder-Civil in die Quere. Nach Aussagen seiner Mutter wollte Amys Ex mit den Zeilen vor Gericht beweisen, wie wichtig er für die Karriere von Winehouse gewesen sei. Nicht aus ideellen Gründen, sondern weil er einen angemessenen Anteil an ihrem Vermögen verlangte, genau genommen die Hälfte.
Wie das britische Blatt „News of the World“ berichtete, soll die 26-Jährige in dem Brief unter anderem andeuten, was für eine große Inspiration Fielder-Civil für die Musik der „Back to Black“-Sängerin gewesen sei: „Ich denke darüber nach, dir ein paar Alben zu schreiben“, heißt es da. Außerdem sei der 28-Jährige (zumindest damals noch) das „wundervollste Wesen“ gewesen, das sie je getroffen habe.
Liebesbriefe bei Obama, Thomas D und Doris Dörrie
Eine Universität in den USA hat Liebesbriefe des späteren US-Präsidenten veröffentlicht. Als Student schrieb der spätere US-Präsident flammende Liebesbriefe, allerdings nicht an seine spätere Ehefrau Michelle:
Einen der schönsten Liebesbriefe verfasste allerdings Rapper Thomas D. und teilte ihn ganz absichtlich mit der Welt:
Auch die Autorin und Filmregisseurin Doris Dörrie rät in Sachen Liebesbriefen: „Über die Stränge schlagen und kitschig sein – man darf in Liebesbriefen alles!“
Lieber handgeschriebener Notizzettel als ChatGPT-Gedicht
Inzwischen kann man auch eine künstliche Intelligenz mit dem Schreiben von Liebesbriefen beauftragen. Prof. Katharina Zweig, die an der TU Kaiserslautern den ersten Lehrstuhl für Sozioinformatik aufgebaut hat, ist davon nicht überzeugt:
Es muss ja auch nicht immer das rosarote Briefpapier sein, auf die Botschaft kommt es an und die hat meist auch auf einem Klebezettel am Kühlschrank Platz.