Liebesbekundung Buntstift

Gefühlvolle Worte

Liebesbriefe früher und heute: Von brennenden Liebesschwüren zu Herz-Emojis

Stand
Autor/in
Sina Weinhold
Onlinefassung
Dominic Konrad

Der Valentinstag ist der große Tag der Liebeserklärungen. Wie man die richtigen Worte findet und zu Papier bringt, damit beschäftigten sich auch große Denker wie Cicero und Erasmus von Rotterdam. Doch wie wichtig sind Liebesbriefe heute, in Zeiten von E-Mail und Chatprogrammen?

Paar mit Liebesbrief und Blümchen im Auto
Nicht nur am Valentinstag: Sich Zeit nehmen und die Gefühle für die oder den Angebeteten aufs Papier bringen, ist richtig romantisch.

Sind Liebesbriefe aus der Zeit gefallen?

Ein göttliches Feuer strömt in meinen Adern, reißt mich hin, wirft mich zu den Füßen meiner Göttin nieder.

So umschwärmt ein gewisser Herr Borener seine Angebetete Lotte. Das Zitat stammt aus dem Jahr 1715 und ist das älteste Schreiben im Liebesbrief-Archiv Koblenz-Darmstadt. So schwülstig geht es heute nur noch selten zu. Auch wenn sich die Methoden über die Jahrhunderte verändert haben, das Ziel ist immer gleich: Die Liebe oder Zuneigung gegenüber einer Person auszudrücken. Immer mit der Hoffnung, dass das Gefühl erwidert wird.

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Liebesbriefe müssen emotional berühren, um wirken zu können. Im digitalen Zeitalter reicht manchmal auch nur ein Symbol, um seine Zuneigung zu zeigen. „Es gibt Paare mit einer Art offenem Kanal“, sagt die Sprachwissenschaftlerin Eva Lia Wyss, die an der Universität Koblenz-Landau lehrt. „Sie schreiben sich tagsüber alle drei Stunden oder sogar jede halbe Stunde.“

Sich küssendes Paar auf Liebesbrief
Liebesbriefe müssen emotional berühren, um wirken zu können.

Bücher über Liebesbriefe werden durch den Buchdruck populär

Einfach mal eine Emoji rüberschicken, das ging früher natürlich nicht. Es ging darum die richtigen Worte zu finden. Als Johannes Gutenberg den Buchdruck erfand, nahm auch die schriftliche Kommunikation – und dabei ganz besonders der schriftliche Austausch zwischen Liebenden an Fahrt auf.

So gingen etwa die Brüder Johann und Wendelin de Spira (von Speyer) nach Venedig, im 15. Jahrhundert ein Hot Spot für innovative Ideen. Dort wollten sie ihre in Mainz erworbenen Buchdrucker-Kenntnisse umsetzen und gründeten 1466 eine Druckerei. Was sollten sie drucken, um Geld zu verdienen? Sie entschieden sich für ein Buch über Regeln zum Briefeschreiben, Ciceros „Epistolae ad familiares“ („Briefe an Freunde“).

Fragonard: Der Liebesbrief (frühe 1770er-Jahre)
Im Zeitalter der Aufklärung ist der Liebesbrief besonders beliebt. Choderlos de Laclos stellt ihn ins Zentrum seines Intrigenromans „Gefährliche Liebschaften“.

Offenbar hatten sie den Bedarf richtig eingeschätzt, denn noch im gleichen Jahr mussten sie eine zweite Auflage drucken – die Menschen wollten schriftlich kommunizieren, wussten aber nicht wie. Bekannte Wissenschaftler, Rektoren der neuen Universitäten, ließen ihre bisherigen Vorlesungen über Rhetorik und Briefeschreiben nun drucken.

Ab dem 17. Jahrhundert setzte sich für diese Buchgattung der Begriff „Briefsteller“ durch, abgeleitet vom Akteur, dem Briefschreiber – Briefsteller – in Analogie zum Schriftsteller.

Regeln für Liebesbriefe in frühen Briefstellern

Der Venezianer Franceco Niger verfasste bereits 1488 in Venedig eine Briefschreiblehre, die zwanzig verschiedene Briefgattungen unterscheidet. Dort heißt es:

Der Brief ist eine Rede in Prosa, die abwesende Freunde zu anwesenden macht und sowohl zum Nutzen wie zum Vergnügen genial erdacht wurde.

Francesco Niger (Negri): Ars scribendarium epistolarum elegantissima declarata, Nürnberg, 1502 (Erstaufl. Venedig 1488)
Was ein Liebesbrief ist und wie man ihn richtig schreibt, erklärt Francesco Niger in seiner „Ars scribendarium epistolarum elegantissima declarata“.

Die sechste darunter behandelt die Liebesbriefe. Interessant ist, dass der große europäische Humanist Erasmus von Rotterdam in seiner 1522 in Basel gedruckten Brieflehre die Regeln von Niger weitgehend übernommen hat. Das Werk erlebte über 80 Auflagen in mehr als 140 Jahren – ein absoluter Beststeller, der auch heute noch hilft, die richtigen Worte zu finden:

Wenn man aber in einem Mädchen Gegenliebe erwecken will, wird man vornehmlich zwei Angriffswaffen benutzen, Lob und Mitgefühl (...). Ferner wird man, da dieses Geschlecht ja weitherzig ist und sich leicht zu Mitgefühl rühren lässt, sich bemühen, den Eindruck eines möglichst armen Bittstellers zu erwecken (...).
Schmeichelwörter, Tränen, Klagen, Seufzer, Träume und so weiter, Dinge, die zwar nicht unanständig sind, aber eher läppisch und einer Form der Verderbtheit nahestehen. Solche der Jugend als Thema vorzulegen, ist doch wohl wenig förderlich.

Traditionelle Liebesbriefe sind nicht ausgestorben

Heute geht der Trend zu immer weniger Text, stattdessen zeigen Fotos und Emojis die Gefühle. Ein digital animiert klopfendes Herz statt duftender Briefumschläge und ausgewählten Worten in schnörkeliger Tintenschrift.

Effiziente Liebesgeständnisse auf WhatsApp
Dank Chat-Anbietern wie WhatsApp gehen Liebesbekundungen in wenigen Zeichen und Piktogrammen.

Ein wenig schade ist das schon, doch die traditionellen Liebesbriefe sind laut Sprachwissenschaftlerin Wyss trotzdem nicht ausgestorben. Die Kalligrafie, also die Kunst der schönen Handschrift, ist wieder im Trend. „Zu besonderen Anlässen wie Geburtstagen und Hochzeitstagen schreiben Leute noch Briefe mit der Hand, auch auf Büttenpapier und schön dekoriert.“

Übrigens: „Schatz“ oder „Schatzi“ ist nach Angaben der Darmstädter Linguistik-Professorin Andrea Rapp der häufigste Kosename in Liebesbriefen – und das schon seit dem 19. Jahrhundert. Ihre Kollegin Eva Lia Wyss sagt, Verniedlichungen wie „Engelein“ und „Prinzesschen“ seien ebenfalls beliebt. Je nach Beziehung würden Kosenamen auch weniger romantisch und leidenschaftlich als vielmehr scherzhaft und originell gewählt.

Für Amy Winehouse wurde ein Liebesbrief zum Problem

Ein gelungener Liebesbrief kann eine Inspiration sein, im Fall von Sängerin Amy Winehouse aber auch wenig romantische Folgen haben.

Ein Liebesbrief kam Amy Winehouse ausgerechnet bei ihrer Scheidung mit Blake Fielder-Civil in die Quere. Nach Aussagen seiner Mutter wollte Amys Ex mit den Zeilen vor Gericht beweisen, wie wichtig er für die Karriere von Winehouse gewesen sei. Nicht aus ideellen Gründen, sondern weil er einen angemessenen Anteil an ihrem Vermögen verlangte, genau genommen die Hälfte. 

Amy Winehouse und Blake Fielder-Civil bei den MTV Movie Awards 2007
Mit einem Liebesbrief als Beweis versuchte der Ex-Ehemann von Amy Winehouse, Blake Fielder-Civil, sich nach der Scheidung die Hälfte des Vermögens der Sängerin zu sichern.

Wie das britische Blatt „News of the World“ berichtete, soll die 26-Jährige in dem Brief unter anderem andeuten, was für eine große Inspiration Fielder-Civil für die Musik der „Back to Black“-Sängerin gewesen sei: „Ich denke darüber nach, dir ein paar Alben zu schreiben“, heißt es da. Außerdem sei der 28-Jährige (zumindest damals noch) das „wundervollste Wesen“ gewesen, das sie je getroffen habe.

Liebesbriefe bei Obama, Thomas D und Doris Dörrie

Barack und Michelle Obama beim Tanzen
Barack Obama tanzt mit seiner First Lady Michelle. Romantisch war der spätere Präsident auch in seinen Jugendjahren. Er schrieb romantische Briefe, wenn auch die Empfängerin eine andere als seine spätere Frau war.

Eine Universität in den USA hat Liebesbriefe des späteren US-Präsidenten veröffentlicht. Als Student schrieb der spätere US-Präsident flammende Liebesbriefe, allerdings nicht an seine spätere Ehefrau Michelle:

Meine Sorge um dich ist so weit wie die Luft, mein Vertrauen in dich so tief wie die See, meine Liebe üppig und reichlich

Einen der schönsten Liebesbriefe verfasste allerdings Rapper Thomas D. und teilte ihn ganz absichtlich mit der Welt:

Auch die Autorin und Filmregisseurin Doris Dörrie rät in Sachen Liebesbriefen: „Über die Stränge schlagen und kitschig sein – man darf in Liebesbriefen alles!“

Klebezettel als Liebesbeweis
Liebesbriefe müssen nicht immer lang und eloquent sein. Ab und zu reicht auch einfach eine kleine Geste wie ein liebevoller Klebezettel.

Lieber handgeschriebener Notizzettel als ChatGPT-Gedicht

Inzwischen kann man auch eine künstliche Intelligenz mit dem Schreiben von Liebesbriefen beauftragen. Prof. Katharina Zweig, die an der TU Kaiserslautern den ersten Lehrstuhl für Sozioinformatik aufgebaut hat, ist davon nicht überzeugt:

Ich würde es nicht witzig finden, wenn mein Mann mir mit Hilfe von ChatGPT einen Liebesbrief schreiben würde. Bei einem Brief geht es doch wie bei einem Kunstwerk darum, dass ein Mensch eine Idee hatte und sich damit Mühe gegeben hat.

Es muss ja auch nicht immer das rosarote Briefpapier sein, auf die Botschaft kommt es an und die hat meist auch auf einem Klebezettel am Kühlschrank Platz.

Kulturgeschichte Geschichte der Liebesbriefe – Vom Herzen in die Feder

Ein Liebesbrief auf Büttenpapier oder doch das Herz-Emoji? Wie wir unsere Liebe mitteilen, ist auch immer ein Spiegel der jeweiligen Zeit und Gesellschaft.

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