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Egon Pelikan – Mussolini und Hitler in den Kirchen des slowenischen Küstenlandes. Der Widerstand des Malers Tone Kralj gegen Faschismus und Nationalsozialismus

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Autor/in
Judith Leister

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Vor aller Augen und doch lange unerkannt: Während italienischer Faschismus und deutscher Nationalsozialismus sein Heimatland Slowenien im Würgegriff hielten, schuf der Maler Tone Kralj in Dutzenden Kirchen heimlich antifaschistische Fresken.

Egon Pelikan, Professor am Historischen Forschungsinstitut der Hafenstadt Koper, steht in der jahrhundertealten Kirche des Dörfchens Hrenovice im slowenischen Küstenstreifen Primorska und zeigt auf Wandmalereien, die ungewöhnlich modern wirken, fast wie Graffitis.

„Das ist 1943 gemalt worden, also in Hochzeit von Faschismus. Er hat gemalt in loco, zwischen Niederbrennungen von Dörfern. Man sitzt in der Kirche und schaut und auf einmal findet man Elemente, die einfach nicht passen. Wie zum Beispiel diese Helm hier, italienisches Helm und Gesicht von Mussolini.“

Künstlerischer Widerstand gegen Faschismus und Nationalsozialismus

Die Kritik am Faschismus versteckt sich überall. In der Kirche gibt es zum Beispiel eine allegorische Szene, die Jesus mit der Dornenkrone zeigt. Der gramgebeugte Erlöser wird von feixenden Gestalten verhöhnt: einem behelmtem Mann, der an Mussolini erinnert, einem blonden Burschen im Braunhemd, also einem Nazi, und einem Mitglied der Arditi mit roter Zipfelmütze. Ganz links hockt noch ein sogenanntes Schwarzhemd, ein italienischer Faschist, und bleckt die Zunge.

Tone Kralj hat die Kirche in Hrenovice in den Jahren 1942 und 1943 gestaltet. Damals hielten der italienische Faschismus und der deutsche Nationalsozialismus seine Heimat im Würgegriff. Der Expressionist Kralj arbeitete mit Verfremdungen, um seine Botschaften zu tarnen. In St. Martin sieht man zum Beispiel einen auf dem Kopf stehenden Luzifer, der das Gesicht Hitlers trägt.

Drangsalierung der Slowenen in Primorska nach 1920

Das Elend hatte für die Slowenen aber schon 1920 begonnen, als der Küstenstreifen Primorska nach dem Ende der Donaumonarchie durch den Vertrag von Rapallo an Italien fiel. Auf die Ernennung Mussolinis zum Ministerpräsidenten Italiens 1922 folgte eine sich verschärfende Italianisierungspolitik. Die slowenische Intelligenz wurde eliminiert. Slowenen hatten keinen Zugang mehr zu Bildung in ihrer Muttersprache und durften sich nicht mehr politisch betätigen. Nach dem Konkordat des Vatikans mit dem faschistischen Italien 1929 wurde auch die Priesterschaft ausgetauscht. Doch im Geheimen formierte sich Widerstand unter den verbliebenen katholischen Geistlichen Sloweniens. Mit Unterstützung aus dem Königreich Jugoslawien begann die Untergrundarbeit der Kirche in Primorska. Es war die „Geheime Christlich Soziale Union“, getragen von Geistlichen und von Laien, die Tone Kralj zur Ausmalung der Kirchen einlud und ihn bezahlte.

Ebenso interessant wie die Kirche in Hrenovice ist das Gotteshaus in Lokev auf dem Karst. Hier sieht man in einer farbenfrohen Szene Jesus am Tag des Jüngsten Gerichts. Egon Pelikan:

„Und hier sehen wir wieder diese kleinen Messages. Hier sehen wir einen Italiener, in italienischen Nationalfarben. Das sei sogar Hermann Göring. Hat auch Stielhandgranate, wie Sie sehen. Und das ist ein Japaner. Japaner hat am Strick einen kleinen Chinesen, zieht hinter sich. Da ganz am Rand ist eine Figur in Rot, die Gefahr des Kommunismus.“

Die personifizierten Achsenmächte weist der Erlöser symbolträchtig ab, während er das slowenische Volk, gekleidet in die Nationalfarben Weiß-Blau-Rot, zu sich heranwinkt. Kraljs Gemälde zeigen auch manch patriotische Überhöhung.

Kritik auch am Titoismus

Nach dem Krieg passte sich der Maler dem Sozialistischen Realismus an. 1972 erhielt er sogar den Preseren-Preis für sein Lebenswerk. Doch im Verborgenen kritisierte er den Kommunismus. In der Kirche von Vrtojba zeigte er 1957 unter den „Verdammten“ Tito selbst, gut zu erkennen am charakteristischen Ring am Finger, der ein persönliches Geschenk Stalins war.

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Judith Leister