Buchkritik

Daniela Krien – Der Brand

Stand
Autor/in
Carsten Otte

Daniela Kriens Roman „Der Brand“ erzählt eine Familiengeschichte zwischen Ehealltag und Sehnsucht nach einem erfüllten Liebesleben. So konventionell der Inhalt, so ambitionslos die Kurzsatzprosa der Autorin, die ihre fade Geschichte mit zeithistorischen Bezügen und aktuellen Debatten in der Corona-Pandemie vergeblich zu würzen versucht.

Rahel und Peter planen in Zeiten von Corona ihren Sommerurlaub in Oberbayern

Eigentlich wollen Rahel und Peter ihren Sommerurlaub in Oberbayern verbringen. Eine Reise ins Ausland kam für die Psychologin und den Literaturprofessor aus Dresden nach „den ersten Meldungen über das Virus“ nicht in Frage.

Daniela Krien verlegt ihren neuen Roman „Der Brand“ in die Zeit der Corona-Pandemie, und die gereizte Stimmung im Land wird im Verlauf der Geschichte noch eine wichtige Rolle spielen. Das Ehepaar freut sich auf die Wanderferien in den Bergen, abseits vom Ehealltag, der nach beinahe dreißig Jahren zunehmend von Unverständnis und Lieblosigkeit geprägt ist.

„Sein feiner Humor kippt nun öfter ins Zynische, und an die Stelle ihrer lebhaften Gespräche ist eine distinguierte Freundlichkeit getreten. Damit einhergehend – und das ist das Schlimmste – hat er aufgehört, mit ihr zu schlafen.“
(Daniela Krien: Der Brand)

Zufall und Schicksal kommen in diesem Roman zuweilen allzu schnell zusammen

Zum Ehefrust kommt leider auch noch das Urlaubspech. Denn die Holzhütte in Bayern brennt ab, und auf die Schnelle findet das Paar kein Ersatzdomizil.

Es ist wohl in mehrfacher Hinsicht ein Glück im Unglück, dass sich ausgerechnet jetzt die mütterliche Freundin Ruth meldet und fragt, ob Rahel ihr Haus in der Uckermark hüten, sich um Tiere und Pflanzen kümmern könne. Denn Viktor, Ruths Mann, habe einen Schlaganfall erlitten und müsse nun in die Rehaklinik. Sie wolle ihn in dieser schweren Zeit unbedingt unterstützen.

Zufall und Schicksal gehen in diesem Roman zuweilen eine allzu schnell herbeigeschriebene Verbindung ein, die Ehekonstellationen werden überdeutlich und in groschenheftartiger Manier gespiegelt, etwa beim Kaffeeplausch vor der Hausübergabe.

„Ruth schenkt ein und beginnt von Viktor zu erzählen. Während sie spricht, fragt sich Rahel, ob sie eines Tages in ebenso liebevoller Weise über Peter reden würde. Tiefe Verbundenheit leuchtet aus Ruths Worten, und Rahel spürt Peters Blick auf sich gerichtet.“
(Daniela Krien: Der Brand)

Peter fühlt sich durch einen Vorfall an der Uni verletzt - und von Rahel nicht unterstützt

Die etwas unglücklichen Stadtmenschen kommen immerhin besser mit dem Landleben zurecht, als sie es befürchtet haben, wenn da nur nicht die vielen Enttäuschungen und Verletzungen der vergangenen Monate wären.

Rahel fühlt sich von ihrem Mann nicht mehr begehrt. Peter hadert mit einem an sich lächerlichen Vorfall an der Universität, der sich zum Eklat entwickelte.

Der Herr Professor hatte nämlich seine Studentin Olivia als Frau P. angesprochen und sie mit dieser geschlechtseindeutigen Anrede auch in eine Teilnehmerliste eingetragen, obwohl Olivia sich als „nichtbinärer Mensch“ versteht. Es gab einen Aufruhr in den sozialen Netzwerken, einen Rüffel der Uni-Leitung, und nicht mal die eigene Gattin stand auf seiner Seite. Seitdem hat sich Peter zurückgezogen, „wie eine Schnecke in sein Haus“.

Schon im Vorgängerroman fanden sich Klischees

Schon in Kriens Vorgängerroman „Die Liebe im Ernstfall“ wurden gesellschaftliche Konflikte äußerst eindimensional auf die Figurenerzählungen runtergebrochen: Der Westen wurde als oberflächliche Konsumwelt beschrieben, der Osten stand für eine Idee des Zusammenhalts. So nervten die Westmänner in diesem Buch mit Geldfixierung und Schlaumeierei, die Ostfrauen vertraten die wahre Leidenschaft.

In vielen Rezensionen wurde über derlei Klischees hinweggesehen. Nicht einmal die pauschale und unwidersprochene Behauptung der Erzählstimme, dass „die Medien über Ostdeutschland herfielen“, wurde kritisiert.

Im neuen Roman haben sich die beiden Hauptfiguren, so uneinig sie sich in vielem sind, von der Presse gänzlich verabschiedet.

„Wann genau das Unbehagen seinen Anfang nahm, kann sie nicht sagen. Doch immer öfter stimmten ihre eigenen Erfahrungen mit dem, was sie lasen, nicht überein. In zu vielen Beiträgen vermissten sie journalistisches Ethos und Realitätssinn, zu viele Artikel ließen sie in dem Gefühl zurück, eine bloße Haltung konsumiert zu haben, eine Fiktion, eine Wunschvorstellung der Wirklichkeit (…)“
(Daniela Krien: Der Brand)

Fehlt nur noch, dass von Lügenpresse die Rede ist. Wenn in der Zeitung nicht steht, was man sich ausdenkt, kann es sich für diese Leute offenbar nur um Fake News handeln. So viel zum etwas verschobenen Realitätssinn, der inzwischen wohl auch das ostdeutsche Akademikermilieu prägt.

Geht es um die Haltung der Figuren oder die Meinung der Autorin?

Zu gerne würde man wissen, ob mit diesen Formulierungen nicht nur die Haltung der Figuren beschrieben wird, sondern ob der innere Monolog auch die Meinung der Autorin wiedergibt.

Rahel hat in der Pandemie zunehmend mit Patienten zu tun, die depressiv sind, weil sie angeblich „Sinngebundenheit und Würde“ in der Gesellschaft nicht mehr finden. Auch die Psychologin hat zu Corona-Zeiten mit Panikattacken zu kämpfen, und erst als sie dem Rat ihres Mannes folgt, die Nachrichten zu ignorieren und „ihren Verstand zu gebrauchen, ging es ihr besser“. Als sei die Rezeption der bedrückenden Infektionszahlen generell unvernünftig und der politische Diskurs sowieso krankmachend.

Peter will über aktuelle politische Kontroversen nicht mehr diskutieren

In der Uni gibt es für Peter nicht nur Stress mit Gender-Aktivist*innen, sondern auch mit Leuten, die T-Shirts mit der Aufschrift „Bomber Harris do it again“ tragen. Dieser gewiss nicht wörtlich zu nehmende Antifa-Spruch über den britischen Piloten, der den verheerenden Angriff auf Peters Heimatstadt anführte, ist für den Dozenten, der gerne in alten Dresden-Bildbänden blättert, eine Provokation zu viel.

Das brennende Dresden ist ein Trauma, das über mehrere Generationen nachwirkt, und Kriens Romantitel „Der Brand“ spielt gewiss auch auf die historische Feuersbrunst an. Ohne allerdings sich mit dem Thema eingehend zu beschäftigen. Peter möchte über vergangenes Leid, aber auch über die aktuellen politischen Kontroversen nicht mehr diskutieren.

Ein Gespräch, meint er, habe „in diesen Zeiten keine Chance“. Daher beschließt er einen Rückzug ins Private, der ihm in gewisser Weise sogar gelingt. Während der Zeit auf dem Landgut nähern sich Peter und Rahel wieder an, emotional und körperlich.

„Sie lässt sich das Kleid ausziehen und den Slip, und obwohl nach einer Viertelstunde alles vorüber ist, kommt es ihr vor als sei er von einer langen Reise zu ihr zurückgekehrt.“
(Daniela Krien: Der Brand)

Streckenweise liest sich das Buch wie ein spießbürgerlicher Ratgeberroman

So knapp, man könnte auch sagen: so einfallslos die Szene gehalten ist, enthält sie zugleich auch eine Prise pathetischer Genugtuung, die für den ganzen Roman charakteristisch ist. Rahels Kinder, so heißt es an einer Stelle, haben den „Wert der stabilen Elternehe irgendwann erkannt“. Streckenweise liest sich das Buch wie ein spießbürgerlicher Ratgeberroman. Tatsächlich macht sich Rahel gerne mal Gedanken darüber, was ihr Mann alles „nicht weiß über sie“:

„Dass sie manchmal bei lauter Musik singend durch die Wohnung tanzt. Dass sie Phantasien hat. Unaussprechliche. Dass sie heimlich betet.“
(Daniela Krien: Der Brand)

Bei der Lektüre solcher Zeilen, die an den Muff der 1950er Jahre erinnern, wünscht man sich eine Autorin wie Gisela Elsner zurück, die heimliche Fantasien, mit oder ohne Gebet, in eine herrliche Sprachhölle verwandelt hat.

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Carsten Otte