Georg-Büchner-Preis 2021: Clemens J. Setz bekommt den renommierten Literaturpreis
Trost kann auf verschiedene Arten gespendet werden
Meike Fessmann, Literaturkritikerin aus Berlin, ist von dem Band sehr beeindruckt. "Der Trost runder Dinge" sei ein Band mit einer sehr freundlichen Stimmung, in dem das Thema "Trost" in immer neuen und immer überraschenden Wendungen durchgespielt wird.
Dabei wird nichts unter den Teppich gekehrt oder vereinfacht. Bei Clemens Setz geht es um Versehrtheit, Angst, Paranoia, Einsamkeit. Meike Fessmann nennt zwei Strategien, wie in diesem Buch mit diesen Gefühlen umgegangen wird. Die eine Methode seien Übersteigerungen: Irreales wird unwirklicher und absonderlicher. Die andere sei Beschwichtigung durch tröstliche Dinge.
Die Protagonisten wandeln auf merkwürdigen Wegen
Die Helden und Heldinnen in den 20 Erzählungen finden Trost auf merkwürdigen Wegen: In einer Geschichte mietet eine Mutter Männer für Sex. Sie tut das, um diese Männer in das Zimmer ihres schwer behinderten Sohnes zu führen und dann zu ihnen zu sagen: Hier möchte sie mit ihnen schlafen. Die Männer weigern sich natürlich.
Und diese Reaktion der Männer, die möchte sie eigentlich haben. Denn daran sieht sie, dass dieser Sohn, der längst von allen abgeschrieben ist, noch Wahrnehmungen hat.
Eine späte Erkenntnis brachte Autor Setz zur Literatur
Clemens Setz hat mal erzählt, dass er bis zu seinem 16. Geburtstag nur am Computer gesessen, nie irgendwas gelesen habe. Dann erst habe er durch die Gedichte von Ernst Jandl angefangen, sich mit Büchern zu beschäftigen. Studiert hat er Mathematik und Germanistik.
Der Roman hat seine Verankerung im Alltag
Im Vergleich zu seinem früheren Erzählungsband "Die Liebe des Mahlstädter Kindes", für den Setz den Preis der Leipziger Buchmesse bekam, ist der neue Band weniger anspielungsreich in Hinsicht auf die Literaturgeschichte. Er ist sehr viel selbstverständlicher in die Wirklichkeit eingebettet und spielt mit den Dingen. Im Vergleich zu diesem ersten Erzählungsband, meint Meike Fessmann, sei "Der Trost runder Dinge" wesentlich stärker im Alltag und weniger in der Literaturgeschichte verankert. Auffällig, wie er die Vorstellungswelten seiner Helden in seinen Geschichten nutzt, um verschiedene Wirklichkeiten aufeinanderprallen zu lassen.
Parallelen zu Kafka sind vorhanden, wenn auch nicht überall
Da geht es um Bildschirme und Computer, genauso wie um Wahnvorstellungen, fixe Ideen oder ähnliches. Man kann bei Clemens Setz auch an die trostlosen Welten von Franz Kafka denken, die Erzählungen führen in Labyrinthe hinein. Nur ist Clemens Setz ein freundlicherer Autor.
Meike Fessmann meint, manche Erzählungen hätten etwas Parabelhaftes. In einer ganz kurzen Erzählung gehe es zum Beispiel um einen Salamander, der sich auf einem Grenzstein sonnt. Ein Wanderer kommt vorbei und denkt: Vielleicht ist der Salamander tot, weil er so ruhig ist. Aber der Salamander denkt: Womöglich ist der Wanderer tot, weil er so unruhig durch die Welt geistert.
"Der Trost runder Dinge" ist keine Wohlfühlliteratur
Literatur legt meistens mehr wert auf die Konflikte und negativen Gefühle als auf den Trost. Viele Autoren in der Generation von Clems Setz schreiben über negative Zukunftswelten, Dystopien. Setz nutzt dagegen das Ungewöhnliche, das Surreale und Bizarre, aber macht daraus etwas, was man aus dem 19. Jahrhundert kennt: etwas Behagliches.
Das Fazit von Meike Fessmann: Unbedingt empfehlenswert, aber keine Wohlfühlliteratur. Es ist eine Literatur, die die Fremdheit und Bizarrerie ins Zentrum stellt und dann erst kommt der Trost hinterher.