Die Liebesbeziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch, jede und jeder für sich eine Ikone der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur, ist eine von Mythen, Zuschreibungen und Bezichtigungen umrankte Konstellation. Je nach Interessenlage und Weltsicht wird mal dem einen, mal der anderen Person die Schuld an dem Desaster zugeschoben, in dem die Beziehung mündete. Also: Wer hat wen ruiniert und ins Unglück gestürzt?
Nun haben Hans Höller, Renate Langer, Thomas Strässle und Barbara Wiedemann auf mehr als 1000 Seiten den Briefwechsel zwischen der österreichischen Schriftstellerin und dem Schweizer Schriftsteller herausgegeben. Möglich wurde diese editorische Großtat durch die Geschwister von Ingeborg Bachmann, die die Briefe der Dichterin vorzeitig zur Veröffentlichung freigaben. Herausgeber Thomas Strässle merkt dazu an, dass es nun nicht mehr darum gehe, jemanden anklagen oder freizusprechen, sondern vielmehr darum, „aus dem Richter-Denken“, wie er es nennt, herauszukommen.
In der Tat rücken die Briefe, die von der Literaturkritik zurecht als eine Sensation gefeiert werden, einiges zurecht, zeigen sie doch, dass das Liebesverhältnis zwischen Frisch und Bachmann, so verzehrend, intensiv und im Nachhinein auch bewegend es gewesen sein mochte, von Beginn an als offene Beziehung angelegt war. Und dass Frisch keinesfalls das kalte Monster war, das die Beziehung im Nachhinein gegen den Willen Bachmanns literarisch ausgeschlachtet hat.
Die Briefe sind stilistisch fein und sprachlich wendungsreich. Ob sie allerdings Lust darauf machen, sich noch einmal intensiver mit dem Werk der beiden Autoren auseinanderzusetzen, mag dahingestellt sein. Denn am Ende ist es wie immer: Man streitet sich um das Geschirr.