Platz 3 (59 Punkte)

Roman. Übersetzt aus dem Englischen von Michaela Grabinger

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Elif Shafak kam 1971 als Tochter eines türkischen Diplomaten in Straßburg zur Welt, doch ihre privilegierte Herkunft hat sie nie daran gehindert, soziale Friktionen der Türkei aufzuspüren und in ihren Büchern zu thematisieren. Es sei ihr Ziel, so bekannte Shafak es in einem interview, zu polarisieren und Reaktionen zu provozieren.

Ihr neuer Roman basiert auf einer Erkenntnis der Hirnforschung, nach der das Gehirn eines Menschen zwischen physischem Tod und Hirntod noch exakt 10 Minuten und 38 Sekunden weiterarbeitet – „10 Minutes 38 Seconds in this Strange World“, so lautet der Originaltitel des Romans. Die Sterbende ist Leila, eine Prostituierte in Istanbul, die brutal misshandelt, ermordet und in einen Müllcontainer geworfen wurde. In jenen letzten zehn Minuten bis zum endgültigen Versiegen der neuronalen Ströme erinnert sie sich aus einer Außenseiterperspektive an ihre Geschichte, die zugleich auch die Geschichte eines zerrissenen Landes ist. Die kulturellen Konflikte, das Hin- und Hergerissen sein zwischen religiösen Traditionen und westlich orientierter Moderne, schießen Leila in einem Bewusstseinsstrom ebenso durch den Kopf wie die Erinnerungen an Demütigungen, sexuelle Missbrauchserfahrungen und patriarchalisch determinierte Ungerechtigkeiten.

Für ihren Roman „Die Bastarde von Istanbul“ wurde Shafak 2006 in der Türkei angeklagt und schließlich freigesprochen. Heute lebt sie in London. Mit ihrem neuen Roman wird sie sich in Erdogan-Land erst recht keine Freunde machen.

Zur Autorin:

Elif Shafak, in Straßburg geboren, gehört zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen der Gegenwart. Ihre Werke wurden in über fünfzig Sprachen übersetzt. Die preisgekrönte Autorin von siebzehn Büchern, darunter „Die vierzig Geheimnisse der Liebe“ (2013), „Ehre“ (2014) und „Der Geruch des Paradieses“ (2016), schreibt auf Türkisch und Englisch. Mit ihren Artikeln und Auftritten wurde sie zum viel beachteten Sprachrohr für Gleichberechtigung und freiheitliche Werte zunächst in der Türkei, später in ganz Europa. Elif Shafak lebt in London.

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Autor/in
SWR