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Friederike Mayröcker: Gesammelte Gedichte 2004-2021

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Am 4. Juni 2021 ist Friederike Mayröcker im Alter von 96 Jahren in Wien gestorben. Der nun erschienene Band versammelt ihr lyrisches Spätwerk. Die „Gesammelten Gedichte“ zeigen, dass Mayröcker nicht nur prägend für die deutschsprachige Literatur des 20. Jahrhunderts, sondern auch eine große Lyrikerin des 21. Jahrhunderts war.

Büchnerpreisträger Marcel Beyer, der als Herausgeber des Bandes fungiert, schreibt in seinem Nachwort, es wirke, „als habe Friederike Mayröcker begonnen, die Frage nach Gedicht oder Prosa noch einmal ganz neu zu stellen. Als habe die bis dahin mehr als sechzig Schreibjahre herrschende Eindeutigkeit der Gattungszuordnung sie dazu herausgefordert, die Membran zwischen den beiden Textformen durchlässig werden zu lassen.“ Mit dem vom französischen Dichter Francis Ponge erstmals ins Spiel gebrachten Begriff „Proëm“ benannte Mayröcker diese durch die Auflösung der Gattungsgrenzen entstandene Form des Schreibens. Diese Befreiungsbewegung, die ohnehin Mayröckers gesamtes Werk prägt, definiert den Ansatz des Schreibens in seiner ganzen Freiheit neu.

Der vorliegende Band versammelt das im Jahr 2009 erschienene Buch „dieses Jäckchen (nämlich) des Vogel Greif“, den 2009 erschienenen Band „Von den Umarmungen“ sowie eben eine Reihe bislang entweder verstreut veröffentlichter oder unveröffentlichter Gedichte und Proëme, darunter ein rührendes Abschiedsgedicht auf die 2009 gestorbene Dichterin Elfriede Gerstl: „das unendliche Treppenhaus. Sie steht lächelnd an der Wohnungs- / tür, umarmt mich. Wie es ihr gehe, wage ich kaum zu fragen. Ob / sie geschrieben habe 1 Gedicht oder Epigramm, ja sie bekomme vie- / le Besuche, aber es seien die letzten Tage, ich bin betrübt. / Sie erwarte 1 Himmel mein Gedanke beim Abschiednehmen“.

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Autor/in
SWR