Die Sehnsucht nach dem Gefühl zu schweben, so hat die Autorin selbst es ausgedrückt, habe ihre Arbeit an diesem Buch begleitet. Es sei reine Schönheit, die sie angetrieben habe, und auch eine Form von Eskapismus.
Sechs Astronautinnen und Astronauten umkreisen in einer Raumstation die Erde. Sechzehnmal sehen sie die Sonne auf- und wieder untergehen. Ansonsten passiert nicht so viel im fünften Roman der 1975 geborenen Britin Samantha Harvey, die unlängst für „Umlaufbahnen“ mit dem Booker Prize ausgezeichnet wurde. Die Crew isst, schläft, hält sich mit einem streng geregelten Programm fit – und blickt ansonsten auf die Erde.
Die Gedanken gehen angesichts dieser Perspektive und der Schwerelosigkeit neue Wege: Man stellt sich die existentiellen Fragen und begegnet sich zugleich zum ersten Mal auf eine neue Weise selbst. Alles geschieht gleichzeitig. Aus Gesprächen, Reflexionen und Gedankenblitzen der einzelnen Crewmitglieder entsteht ein extraterrestrischer Chor.
„Space Realism“, so nennt Samantha Harvey selbst ihr Verfahren, und dieser Realismus zeigt sich in Gedankenflügen zwischen Philosophie und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen: „So einsam sind sie in ihrem um die Erde kreisenden Raumschiff und gleichzeitig einander so nah, dass ihre Gedanken, ihre individuellen Mythologien, bisweilen zusammenfinden. Mitunter träumen sie dieselben Träume – von Fraktalen, von blauen Sphären und vertrauten Gesichtern in der Dunkelheit, vom leuchtenden, energiegeladenen Schwarz des Weltraums, das ihre Sinne überwältigt.“ Das ist das poetologische Programm dieses Romans.