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Horst Bienek: Es gibt nur die Kunst, die Liebe und den Tod. Dazwischen gibt es nichts. Die Tagebücher

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Zunächst die äußeren Fakten: Horst Bienek wurde 1930 in Gleiwitz in Oberschlesien geboren. Als Vierzehnjähriger beobachtete er den Todesmarsch der Auschwitz-Häftlinge durch seine Geburtsstadt. Kurz darauf wurde er zur Demontage von Werkzeugmaschinen zwangsverpflichtet. Bereits 1951 veröffentlichte er erste lyrische Arbeiten; im gleichen Jahr nahm Bertolt Brecht den jungen Bienek in seine Meisterklasse am Berliner Ensemble auf.

Im März 1952 wurde Bienek wegen antisowjetischer Propaganda zu insgesamt 20 Jahren „Besserungsarbeitslager“ verurteilt. Er verbüßte seine Strafe in der Sowjetunion, arbeite unter Tage im Steinkohlebergbau, schrieb Gedichte auf Toilettenpapier und kam 1955 frei. Danach wurde Bienek zu einer der zentralen Figuren im deutschen Kulturleben. Er wurde Lektor beim Deutschen Taschenbuch Verlag, war Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und Leiter der Literaturabteilung der Bayerischen Akademie der Künste. Und natürlich schrieb Bienek weiter. Gedichte, Essays, Romane, Aufsätze, autobiografische Texte.

Er starb 1990 an einer HIV-Infektion. Nun sind seine Tagebücher aus den Jahren 1951 bis 1990 erschienen. 1712 Seiten inklusive ausführlichem Anmerkungsapparat. Bienek hat sie offenbar alle gekannt, und in seinem Tagebuch steht alles auf engstem Raum zusammen und nebeneinander. Von der Wut eines Marcel Reich-Ranicki über den Nobelpreis bis zur ausführlichen Beschreibung von Sexualpraktiken.

Denn: „Literatur hat etwas mit Leben zu tun. Literatur allein ist nichts.“ Zitat Bienek. Das Wort „Schwanz“ kommt in diesem Buch exakt 128mal vor. Zum Beispiel so: „Nachmittags im Parkklo einen Engel von 19 Jahren kennen gelernt, mit ins Hotel genommen – ein Traum, der mir noch lange danach erschienen ist ... mit einem wunderbaren Schwanz; hat tagelang meine Fantasie beschäftigt. Eine schöne (italienische) Schreibtischlampe gekauft.“

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SWR