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Katja Lange-Müller: Unser Ole

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„Diese Geschichte“, schreibt Katja Lange-Müller in ihrem Prolog, „ist nicht erfunden, schon gar nicht frei. Doch weil daraus ein literarischer Text werden wollte, habe ich die Namen der an den realen Ereignissen beteiligten Menschen geändert.“ Und fügt in ihrer schelmischen Art hinzu, dass zwei von ihnen bereits verstorben seien und sie ohnehin nicht mehr verklagen könnten.

Es beginnt damit, dass Ida bei Elvira einzieht. Eine etwas ungewöhnliche WG. Kennengelernt haben die beiden Frauen sich bei einer Senioren-Modeschau im Kaufhaus. Ida war dort eines der Mannequins; Elvira war nur zufällig dort, um einen Pullover für ihren Enkel Ole zu kaufen. Ida war einst eine sehr schöne Frau; hatte kein Glück mit den Männern und ist schließlich in einer tristen Ein-Zimmer-Wohnung angekommen. Elvira besitzt ein Häuschen; sie lässt Ida bei sich einziehen. Als Gegenleistung soll Ida ihr helfen, sich um den Enkel Ole zu kümmern. Der ist nicht nur in der Pubertät, sondern hat auch autistische Züge, verlässt ungern das Bett und ist kaum fähig zur Kommunikation mit der Außenwelt.

Dann kommt es zu einem verhängnisvollen Unfall. Falls es überhaupt ein Unfall ist. Die Polizei tritt auf den Plan. Und Oles Mutter Manuela. Plötzlich drehen sich die Perspektiven, ändert sich der Blick auf die Beziehung von Mutter und Tochter.

Katja Lange-Müller hat einen unverwechselbaren Tonfall. Er ist schnoddrig, aufgeladen mit einem herzhaften Humor. Und trotzdem – von Beginn an ist klar, dass „Ole“ keine lustige Geschichte wird, sondern eine, die wieder einmal den Rand der Gesellschaft in den Blick nimmt.

Buchkritik Katja Lange-Müller „Unser Ole“: Vom Los ungeliebter Töchter

Katja Lange-Müller zeichnet ein schonungsloses Szenario, das von emotionaler Unfähigkeit, aber auch von großer Widerstandsfähigkeit erzählt. Rezension von Manuela Reichart

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