Platz 3 (48 Punkte)

Paul Lynch: Das Lied des Propheten

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Es ist eine düstere europäische Dystopie, für die der 1977 geborene Paul Lynch im vergangenen Jahr mit dem Booker Prize ausgezeichnet wurde.

Lynch stellt seinem Roman Brechts Wort von den finsteren Zeiten voran, in denen von den finsteren Zeiten gesungen werde, und tatsächlich ist es auch eine finstere Szene, die den Roman eröffnet. Es klingelt an der Haustür von Larry und Eilish Stack. Larry Stack engagiert sich in der Lehrergewerkschaft und wird von zwei Männern mit Hüten zu einem Gespräch einbestellt. Dort wird Larry mit Vorwürfen konfrontiert, die er für hanebüchen hält. Er werde sich an die Generalsekretärin wenden und die wiederum an den Minister höchstpersönlich.

Die Männer, die ihn befragen, sehen sich bloß an, dann sprechen sie von der Notverordnung, die seit einiger Zeit in Kraft getreten ist und die die öffentliche Ordnung aufrechterhalten soll. Ob jemand in Absicht oder aus Versehen im Dienst der Staatsfeinde handele, erklären sie Larry, spiele keine Rolle. Larry wird nicht mehr nach Hause zurückkehren.

Der Kniff an Lynchs Roman ist der Umstand, dass er in Irland spielt, in einem EU-Land, an konkreten Orten – und doch mitten in einer Diktatur.

Dass die europäische Gemeinschaft derzeit unter antidemokratischem Beschuss steht, ist offensichtlich; Lynch denkt diesen Gedanken konsequent weiter. Eine nationale Einheitspartei hat die Macht übernommen und sich alle Handlungsvollmachten angeeignet. Es kommt zu bürgerkriegsähnlichen Schlachten in den Städten, die Fronten verändern sich ständig. Ein spannender Roman, der die politische Entwicklung in Europa ernst nimmt.

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Rezension von Eberhard Falcke

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