Von der Jury diskutiert auf Platz 2 der SWR Bestenliste Januar 2024
Jan Wagners Gedichte beeindrucken: Man liest eine Zeile, eine Formulierung, eine Beschreibung, die man so noch nicht gehört hat – und hat trotzdem sofort ein Bild vor Augen, einen Blitz aus der Erinnerung; ganz gleich, ob sie sich aus selbst Gesehenem oder einst Gelesenem speist. Das ist auch – aber nicht nur – eine Generationenfrage: „erinnerung an die siebziger jahre“ (stets in Kleinschreibung) heißt ein Gedicht, das sofort einen Assoziationsraum öffnet, eine Stimmung hervorruft:
Und weiter:
Und noch weiter, und zwar wirklich darum, weil es so schön ist:
Als Jan Wagner im Jahr 2017 den Büchnerpreis erhielt, war der Aufruhr in der an Missgunst nicht armen deutschsprachigen Lyrikszene groß: Wagner gilt als ein wenig experimenteller, wenn nicht gar konservativer Lyriker. Ja, er arbeitet sich höchst produktiv an klassische Vorbilder heran. Wer ein Gedicht „panther“ nennt, der weiß, auf welches Terrain er sich begibt.
Das Gute daran ist eben nur: Wagner kann das alles, und seine Gedichte wirken angetrieben von Spracherforschungslust, von Neugier auf das nächste Wort, das nächste Bild. Seine Zeilen klingen, sind durchrhythmisiert und wirken doch leicht. 2001 veröffentlichte Wagner seine „Probebohrung im Himmel“. Nun ist er auf Erden angekommen, dort aber schwebt er eindeutig.