Platz 10 (30 Punkte)

Mark Aldanow: Der Anfang vom Ende

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Der junge Schriftsteller Sergej Lebedew erzählt in seinem Vorwort zum Roman davon, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion auch eine Revolution für die Bücherregale gewesen sei: Die Klassiker des sozialistischen Realismus hätten sich neben den Mülltonnen gestapelt, während plötzlich bislang unbekannte Titel, schlecht gedruckt auf billigem Papier, die Runde gemacht hätten. „Der Anfang vom Ende“ ist einer dieser neuentdeckten Romane, und er hat sich über die Jahrzehnte hinweg eine erstaunliche Frische und Lebendigkeit bewahrt.

Die Geschichte spielt Mitte der 1930er Jahre. Aldanow schickt eine sowjetrussische Delegation nach Paris, um diplomatische Beziehungen zu stärken. Der Faschismus bricht sich machtvoll Bahn in Europa. Zugleich bemerken die Mitglieder der russischen Delegation, welch schwerwiegende Konsequenzen die bolschewistische Revolution für ihr eigenes Land hatte. Es ist der Augenblick, in dem die Machthaber an sich selbst zu zweifeln beginnen. Sergej Lebedew liest den Roman als „ein Werk, das den Mechanismus einer moralischen und historischen Katastrophe erforscht“.

Mark Alexandrowitsch Aldanow wurde 1886 als Spross einer österreichisch-jüdischen Familie in Kiew geboren. Er studierte an der dortigen Universität und arbeitete zunächst als Chemiker, bevor er sich gegen Ende des Ersten Weltkriegs dem Schreiben zuwandte. Im Jahr 1919 emigrierte Aldanow nach Paris. 1941 gelang ihm die Flucht vor den Nationalsozialisten in die USA. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er nach Frankreich zurück, wo er 1957 starb. Die Publikationsgeschichte seines Romans „Der Anfang vom Ende“ ist kompliziert: Der erste Teil erschien 1939 in russischer Sprache, die erste vollständige Ausgabe dann im Jahr 1943 in New York in englischer Übersetzung. Nun liegt der Text auch erstmals in der Übersetzung von Andreas Weihe auf Deutsch vor.

Diskussion über vier Bücher SWR Bestenliste September mit Büchern von Elfi Conrad, Anne Serre u.a.

Die Debatte zur SWR Bestenliste des Monats September beginnt hinter Gittern: in einem verwunschenen Anwesen mit gut eingezäunten Park. Dort leben „Die Gouvernanten“ von Anne Serre. Ein Märchenroman, den die Diskutanten unisono zauberisch und dicht, kurzum heftig finden.
Kontroverser werden anschließend zwei politische Romane diskutiert, die ins Milieu der sowjetischen Komintern führen: Mark Aldanows „Der Anfang vom Ende“ und Klara Blums „Der Hirte und die Weberin“. Lässt Mark Aldanow in den 1930er Jahren russische Agenten und Diplomaten nach Paris reisen, erzählt Klara Blum von einer sich zeitgleich in Moskau anbahnenden Liebesgeschichte zwischen einer Czernowitzer Jüdin und einem Kommunisten aus China.
Mit dem autofiktionalen Werk „Schneeflocken wie Feuer“ von Elfi Conrad geht es abschließend zurück in die Gegenwart: Ein Buch, das vordergründig davon erzählt, wie eine Schülerin ihren Musiklehrer verführt und ins Unglück stürzt, das hintergründig aber von bundesdeutscher Nachkriegszeit, den Traumata der Vertreibung und bis heute schiefen Geschlechterverhältnissen erzählt.
Platz 1 der aktuellen SWR Bestenliste!

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