Friedrich Christian Delius: Darling, it's Dilius. Erinnerungen mit großem A

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Friedrich Christian Delius: Darling, it's Dilius

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Im April 1992 rief der Schriftsteller Friedrich Christian Delius seinen Kollegen Walter Abish in New York an, um ihm seinen Besuch anzukündigen. Am Telefon war Abishs Ehefrau Cecile, die ihren Mann mit den Worten rief „Darling, it’s Dilius“. Delius war entzückt vom weichen Klang, den Cecile Abish seinem Namen gab, und von dem Stabreim, der sich in diesem simplen Vorgang auftat.

Zu finden ist diese scheinbar unwichtige Begebenheit unter dem Stichwort „Abish, Cecile und Walter“. Der Büchnerpreisträger Friedrich Christian Delius, gestorben im April 2022, wäre im Februar 2023 achtzig Jahre alt geworden. Bis zuletzt hat er an einer Autobiografie geschrieben, wie man sie in dieser Form bestimmt noch nicht hat lesen können: In rund dreihundert Stichworten, die allesamt mit dem Buchstaben A beginnen, listet Delius Erinnerungen auf, die er sowohl mit persönlichen Erlebnissen als auch mit politischen Ereignissen in Verbindung bringt. In „Abbey Road“ erzählt Delius von einer Begegnung mit Paul McCartney (die eben gerade nicht dort stattfand), in „Aleppo“ vom Protest gegen den Krieg in Syrien, für den sich noch einmal einige Kampfgefährten aus der 68er-Zeit zusammenfanden.

Das Abitur im nordhessischen Korbach ist Thema, wie auch das Azurblau des wolkenlosen italienischen Himmels, dessen Farbe sich in den Trikots der italienischen Nationalmannschaft wiederfindet. Es sind schöne, mal melancholische, mal präzise scharf gestellte Fragmente aus einem Intellektuellenleben, in dem sich zugleich die Geschichte eines Landes spiegelt. Eine persönliche Chronik und Geschichtsschreibung in einem.

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Autor/in
SWR