Friedenspreis des deutschen Buchhandels für Margaret Atwood

Der literarische Arm der linksalternativen Bewegung

Stand
Autor/in
Alexander Wasner

Am Sonntag, den 15. Oktober erhielt die kanadische Autorin den Friedenspreis in der Frankfurter Paulskirche.

Es ist ein echter PR-Coup. 30 Jahre nach ihrem großen Welterfolg „Der Report der Magd“ begegnet man der 78jährigen in Toronto lebenden Autorin Margaret Atwood an so ziemlich allen Ecken. Eine amerikanische Serie nach diesem Roman räumt gerade alle Filmpreise von Rang ab, zuletzt den Emmy. Jetzt erhält Atwood den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Und vergangene Woche landete sie in den Nobelpreiskandidatenlisten ganz vorne bei den Wettbüros. Vielleicht ist das doch mehr als ein Zufall: Margaret Atwood ist eine der prägenden Autorinnen der Babyboomer-Generation.

Die ideale Vorlage für eine Fernsehserie

Margaret Atwoods Buch „Der Report der Magd“ ist eine Dystopie, eine düstere Zukunftsvision. Nach zahllosen Kriegen ist die Menschheit unfruchtbar – Frauen, die vielleicht Kinder bekommen können werden mächtigen Familien zugeteilt – als Zweitfrau. Atwoods Roman wurde von Volker Schlöndorff verfilmt: „Die Geschichte der Dienerin“, kam in Berlin wenige Tage nach dem Mauerfall in die Kinos.

Wenn man ehrlich ist: Es ist keine realistische Gefahr, dass die Welt so werden würde. Die Geschichte einer funktionalisierten Religion mit Polygamie und demokratischer Selbstaufgabe hat Houellebecq schrecklicher und glaubwürdiger erzählt. Margaret Atwood, das war für viele der literarische Arm der feministischen wie linksalternativen Bewegung – ihr Roman ist eine ideale Serienvorlage, weil das Setting, also die Personenbeschreibung etc. so präzise und beklemmend ist. Literarisch sind Erzählhaltung und Figurenzeichnung wenig spektakulär.

Jedes Buch über die Zukunft ist ein Buch über die Gegenwart

Pünktlich zum Friedenspreis erscheint jetzt eine Essaysammlung: Aus „Neugier und Leidenschaft“. Zwischen Kritiken und Essays erzählt Atwood aus ihrem Leben. Ein spannendes Leben, eines, das über die ganze Welt verstreut stattfand, immer wieder auch in Deutschland. Bekannt geworden ist sie für dicke Romane, manche wie die Räuberbraut spielen hier und heute, aber seltsamerweise hat sie sich früh sehr für Zukunftsromane interessiert.

Zukunftsromane sind gerade schwer in Mode, weil alle merken, wie sich die Welt durch Klimawandel und Digitalisierung ändert. Gut so. Der Friedenspreis zeichnet immer auch eine Haltung aus. Und die ist bei Atwood mustergültig aufrecht.

Atwoods Erbe - erst für unsere Erben

Man fragt ja immer gerne, was von einem Autor bleibt. Das ist bei Margaret Atwood leicht zu beantworten. Sie hat an einem Projekt teilgenommen, das heißt future library. Die Organisatoren haben Fichten gepflanzt, die in 99 Jahren das Papier liefern für Bücher, die heute schon geschrieben werden. Den ersten Roman für diese Zukunftsbibliothek hat Margaret Atwood geschrieben und zur Veröffentlichung hinterlegt. Wir werden es alle nicht mehr mitbekommen, welche Resonanz der letzte neue Roman von Margaret Atwood findet, wenn er im Jahr 2115 erscheint.

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Alexander Wasner