Björn Höcke, AfD-Spitzenkandidat, steht nach der Wahl in Thüringen vor der Presse

Nach Rechtsruck

Wie Deutschland international gesehen wird: Gibt es ein neues Image nach den Wahlen?

Stand
Autor/in
Julian Burmeister

Die Wahlsiege der AfD und des BSW in Thüringen und Sachsen sind eine Zäsur, die natürlich auch im Ausland wahrgenommen wird. Dort werden Vergleiche gezogen zur Weimarer Republik und auch zur Nazizeit. Wie groß ist der Schaden in der Wahrnehmung der internationalen Presse?

Der Zweite Weltkrieg war für Deutschland international lange wie eine ungeliebte Visitenkarte. Wo Deutsche im Ausland auch hinkamen: Immer waren die Assoziationen mit Hitler und den Nazis schon da.

Gegen dieses Klischee kämpften Bundesrepublik und die DDR und später nur noch die Bundesrepublik gut 80 Jahre lang an. Wird diese Arbeit am internationalen Ansehen durch den Rechtsruck bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen nun wieder zurückgedreht? Verspielt Deutschland gerade seinen Kredit? Das sagt die internationale Presse.

Nur sieben Prozent der Deutschen durften Wählen

Geht es nach der New York Times, haben die Wahlen nur geringe Auswirkungen auf die Bundespolitik, auch wenn sie weitere Überraschungen nicht ausschließt:

„Doch obwohl der Erfolg einer rechtsextremen Partei in zwei deutschen Bundesländern knapp acht Jahrzehnte nach dem Ende des Nationalsozialismus symbolisch aufgeladen ist, wird sie auf die deutsche Politik wohl nur begrenzten Einfluss haben“, heißt es.

Obwohl am Sonntag in beiden Bundesländern „eine Rekordzahl an Wählern“ zur Wahl gegangen seien, seien nur etwa sieben Prozent aller Deutschen wahlberechtigt gewesen, rechnet die New York Times vor.

„Auch dürfte die AfD nicht so leicht Verbündete finden. Alle anderen Parteien, die am Sonntag Sitze im Landtag gewannen, haben sich verpflichtet, nicht mit der extremen Rechten zusammenzuarbeiten. Diese Strategie wird rechtsextreme Wähler zwar noch weiter verschrecken, soll aber demokratische Stabilität in der Regierung gewährleisten.“

Björn Höcke, AfD- Spitzenkandidat spricht in ein Mikrofon
Dürfte nicht so leicht Verbündete finden: Björn Höcke.

Keine Weimarer Verhältnisse in Sicht

Auch die spanische Zeitung El Pais sieht in dem Rechtsruck nichts per se Ungewöhnliches, auch wenn sie Vergleiche zieht zwischen der Weimarer Republik und heute:

„Deutschland ist keine Anomalie. Seine Symptome passen zu der Krankheit, die den Rest des Westens heimsucht. In der ehemaligen DDR keimt die Ernüchterung, die Narbe schmerzt noch immer, obwohl die Wirtschaftsdaten den Zorn nicht rechtfertigen“, schreibt sie.

Und weiter: „Aber um die Wiederholung von Fehlern zu vermeiden, braucht man ein Gedächtnis, und das ist eine heikle Mischung aus Fakten und Emotionen. In letzter Zeit basieren Wahlen zu sehr auf Letzterem. Wir stehen auch nicht vor einem Weimar II“, so die spanische Zeitung.

Soziale Unruhen und Polarisierung erinnerten zwar an diese Zeit. Doch: „Die Fakten reimen sich, aber sie werden nicht wiederholt. Der Stachel eines Weltkriegs hat uns nicht vergiftet, die Inflation ist im Vergleich zu jenen Jahren gering , und die aktuelle Verfassung ist eine Lehre aus dieser Erfahrung.“

Schwierige Koalitionsbildung ist absehbar

Die Schweizer Zeitung NZZ fürchtet, dass die CDU aus dem Wahlergebnis dauerhaften Schaden nehmen könnte:

„Ironischerweise könnte die CDU mit dem zweitschlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte dennoch den Ministerpräsidenten stellen. Dazu müsste Voigt, der seine schwächelnde Partei als ,stärkste Kraft der politischen Mitte‘ sieht, mit dem anderen Wahlsieger des Abends, dem BSW, und auch mit der weiter geschrumpften SPD eine Koalition eingehen. Voigt wäre – sofern es in der Summe reichen sollte – eingekeilt von zwei linken Partnern, die zusammen so stark wären wie die CDU.“

Die NZZ fragt: „Wie will Voigt unter diesen Bedingungen die Versprechen seines Wahlkampfs einlösen und einen wirtschaftsfreundlichen Kurs mit einer Abkehr von linken Gesellschaftsprojekten und einer neuen Härte in der Asylpolitik verbinden? Ein solches Dreierbündnis müsste vom ersten Tag an gegen die eigenen Fliehkräfte kämpfen. Der Blick zum Berliner Dauerstreitfall namens ,Ampel‘ mahnt zur Skepsis.“

Mario Voigt von der CDU
„Wie will Voigt die Versprechen seines Wahlkampfs einlösen?“, fragt die NZZ.

Putin wird bei dem Wahlergebnis nicht ausgeblendet

Die tschechische Zeitung Hospodarske noviny wird da schon deutlicher und stellt einen direkten Bezug zwischen AfD und Moskau her:

„Für Björn Höcke, den Spitzenkandidaten der Alternative für Deutschland (AfD) in Thüringen, ist klar, wohin seine erste Auslandsreise gehen würde, falls er eines Tages zum Bundeskanzler gewählt werden sollte: nach Moskau“, so das Blatt.

„Die Schlüsselthemen seiner Wahlkampagne waren Widerstand gegen weitere Hilfen für die Ukraine, die Beziehungen zu Russland und die Migration. (...) Doch vom Einzug ins Kanzleramt ist Höcke noch weit entfernt. Trotz des klaren Wahlsieges seiner Partei in dem Bundesland dürfte er nicht einmal Ministerpräsident von Thüringen werden. (...) Denn sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene will keine Partei mit der AfD koalieren. Um in Thüringen und Sachsen Landesregierungen zu bilden, wird eine Zusammenarbeit der CDU mit der BSW von Sahra Wagenknecht nötig sein, auch wenn das eine sehr unnatürliche Kombination ist.“

Hoffnungen nach der Wende nicht eingetreten

Und der britische Guardian ist durch das Wahlergebnis beunruhigt:

„Nach dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 prophezeite der ehemalige westdeutsche Bundeskanzler Willy Brandt, mit der Wiedervereinigung werde endlich ,zusammenwachsen, was zusammengehört‘. 35 Jahre danach wirkt diese Vorstellung von einer natürlichen Heilung allzu optimistisch. Die historischen Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen vermitteln viel mehr das Bild eines Deutschlands, dessen östliche und westliche Regionen immer weiter auseinanderdriften“, heißt es.

„Solange es den übrigen Parteien gelingt, den Cordon sanitaire um die Rechtsextremen aufrechtzuerhalten und sie daran zu hindern, eine absolute Mehrheit zu erlangen, werden ihre Machtambitionen wohl nur Wunschträume bleiben. Dennoch wirft die Etablierung der AfD als dominante regionale Kraft ernste und beunruhigende Fragen über die politische Identität Deutschlands und darüber auf, wie der Aufstieg solcher Kräfte in Zukunft eingedämmt werden kann.“

Das BSW betritt einen Saal mit Pressevertretern nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen Sahra Wagenknecht betritt mit Spitzenkandidatin Katja Wolf und Steffen Schütz den Saal
Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ wird von der internationalen Presse fast durchweg als linksextrem charakterisiert.

„Das Stigma der AfD ist verschwunden“

Und auch das Nachrichtenportal Politico spricht von einem Schock:

„Das Stigma ist verschwunden. Deutschlands AfD erreicht Siege trotz Verurteilung, Warnungen des Verfassungsschutzes bezüglich Extremismus in ihren Reihen und großer Demonstrationen gegen die Ultrarechten auf der Straße. Die Thüringer waren von alldem unbeeindruckt; vielleicht hat es manche sogar ermutigt.“

Das Ergebnis sei „ein weiterer Nagel im politischen Sarg von Kanzler Olaf Scholz“. 

„Zwei wichtige Fakten sollten den Schockeffekt des Sieges der AfD bei einer Landtagswahl mildern: Es ist nahezu sicher, dass sie das Bundesland nicht regieren wird, da es einen Boykott seitens der anderen Parteien gibt. Und Thüringen, das rund zwei Prozent der deutschen Bevölkerung repräsentiert, spricht nicht für das ganze Land. Es spricht jedoch für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe von Wählern aus der früheren DDR, die besonders aufnahmefähig sind für radikale, gegen die EU und den Westen gerichtete Botschaften.“

Die Welt hat Deutschland noch nicht abgeschrieben

Insgesamt ergibt sich aus diesen und weiteren (der Kürze halber hier nicht aufgeführten) Stimmen jedoch ein differenziertes Bild. Deutschland ist nicht wieder über Nacht zum Schreckgespenst geworden, die Deutschen nicht plötzlich wieder zu „Ugly Krauts“ (wie es auf X schon zeitweise verkündet wurde).

Die Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“ wird von der internationalen Presse fast durchweg als linksextrem charakterisiert. Dass ohne Wagenknecht als Kopf der Partei vermutlich (darauf lassen zumindest Umfragen schließen) noch mehr Menschen AfD gewählt hätten, wird hingegen nicht abgebildet.

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