Kommentar

75 Jahre Dagobert Duck: Unser aller liebster Kapitalist

Stand
Autor/in
Max Bauer

Vor 75 Jahren erblickte er das Licht der Welt: Dagobert Duck, erdacht und gezeichnet von dem genialen Disney-Zeichner Carl Barks. Anfangs eine Nebenfigur im Universum von Entenhausen, gab es bald eine eigene Heftreihe für die reichste Ente der Welt. Ein kalter Kapitalist als Comic-Held? Wie geht das? Max Bauer meint: Die Media- und IT-Milliardäre von heute sollten sich etwas von dem reichen Erpel abschauen.

Im Orginal heißt Dagobert „Scrooge McDuck“

An Weihnachten läuft der Kapitalismus zur Hochform auf. Glitzer-Kitsch allüberall, alle Medien-Maschinen auf Hochtouren, permanent produzierte Kindheitsträume, vor allem der Traum von Schnee an Weihnachten, der alles verspricht, sogar Stille und Frieden in einer sonst so kriegerischen Welt.

Klar, dass das Pop-Ideal des Kapitalisten, die reichste Ente der Welt, Dagobert Duck an Weihnachten das Licht der Welt erblickte: In einer Story mit dem Titel „Christmas on Bear Mountain“.

An Weihnachten entdeckt der Geldverleiher ein bisschen Menschlichkeit

Im amerikanischen Original heißt Dagobert „Scrooge McDuck“, in Anlehnung an den kaltherzigen Geldverleiher Ebenezer Scrooge, die Hauptfigur von Charles Dickens´ Weihnachtsgeschichte „A Christmas Carol“. Ja, Weihnachten und Kapitalismus eben.

Der kalte Menschenfeind Ebenezer Scrooge entdeckt bei Charles Dickens an Weihnachten die Menschlichkeit. Und Dagobert ist ja doch auch ein anständiger Kerl, wenn seine Neffen wirklich in Lebensgefahr sind. Alles gut also, im kapitalistischen Brennpunkt Entenhausen. Dort, wo der Geldspeicher steht, der steinerne Riesentresor mit dem riesigen Dollar-Zeichen.

Eine Comic-Figur, die den Kapitalismus verniedlicht?

So sah der Soziologe Ariel Dorfman Dagobert schon in den 70er Jahren: Eine Figur, die den Kapitalismus auf Comic-Format bringt und verniedlicht. Das Geld stinkt nicht, sondern glänzt golden. Man sieht keine ausgebeuteten Arbeiter. Und das Ganze ist auch noch derb imperialistisch: Denn Dagobert scheucht seine Neffen rund um den Globus, an Orte, wo exotischen Ureinwohnern ihre Schätze abgenommen werden.

Doch halt, muss man die Dagobert-Comics nicht am besten zwischen den Sprechblasen lesen. Sieht so wie Dagobert wirklich der perfekte Pop-Kapitalist aus? Seine Fabriken und Ölfelder bekommen wir nie zu Gesicht. Dafür den Geldspeicher, altertümlich wie eine Burg auf einem Hügel.

Im Hyperkapitalismus unserer Tage fließen die Milliarden in Sekundenschnelle durch digitale Finanzmärkte. Dagobert hingegen sitzt auf seinem goldenen Geldberg, mehr altmodischer Sparer als Bitcoin-Jongleur. Und dann ist er auch noch rasend abergläubisch. Ständig in Sorge, dass ihm die Hexe Gundel Gaukeley seinen Glückskreuzer wegnimmt, seine erste selbstverdiente Münze.

Über Geld möchte die reichste Ente der Welt nicht sprechen

75 Jahre Dagobert: Kann er uns etwas verraten über den Kapitalismus, den kaum jemand mag, aber den alle leben? Eins ist jedenfalls sicher: Dagobert ist ein Fetischist. Wir wissen, Dagobert badet im Geld, im wahrsten Sinne des Wortes. Mehr noch: Sein Geldspeicher ist ein Geld-Pool, Dagobert ist der Einzige, der bei einem Kopfsprung in den Geldspeicher nicht K.O. geht, sondern eintaucht wie ein Seehund und im Geld schwimmt.

Seine Beziehung zum Geld ist körperlich, also erotisch. Eine feine Schicht Goldstaub bedeckt seine Haut. Und als sein Arzt ihn einmal fragt, ob er sich in Gold wälzt, errötet der sonst so herrische alte Geizkragen: „Darüber möchte ich nicht sprechen!“

KIindliche Allmachtsfantasien der Trumps, Zuckerbergs und Musks

Den Media- und IT-Milliardären von heute, den Trumps, Zuckerbergs und Musks traut man nicht zu, dass ihre Beziehung zum Geld ihnen peinlich ist. Ihre Beziehung zum Geld ist eine kindliche Allmachtsfantasie. Brutale Riesenbabys, die goldene Türme bauen oder zum Mars fliegen wollen. Viel mehr Reality-Comic als der Comic-Klassiker Dagobert Duck.

Der ist zwar auch im Laufe der Jahre immer jünger geworden, vom alten geizigen Onkel zum rüstigen Abenteurer. Er tobt und wütet und wettert, wenn seine kindlichen Wünsche nicht erfüllt werden. Aber ihm ist der Goldstaub auf seiner Haut trotzdem peinlich. Er runzelt die Stirn, auch über sich selbst. Wenn der reichste Mann der Welt doch eine Ente wäre!

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