Die Königin des Grillbuffets
Sommerzeit ist Grillzeit. Während Nackensteaks, Bratwürste und Grillfackeln über der glühenden Kohle vor sich hin brutzeln, steht der eigentliche Star des Essens bereits auf der gedeckten Tafel. Gefühlte Wahrheit: Kein deutsches Grillbuffet ist komplett ohne den Nudelsalat.
Zarte Nudeln – mal Röhre, mal Spirale – in perfekter Harmonie mit Erbsen, Karotten und Essiggurken, dazu hartgekochte Eier und (je nach Geschmack der Gäste) Käse, Fleischwurst oder Paprika. Das Ganze wird liebevoll umfangen und geschmacklich überlagert von einer fettig-sämigen Mayonnaise-Soße.
Während Fernsehköche immer wieder das Hohelied spannender Konsistenzen anstimmen, kommt der Nudelsalat mit einer einzigen aus: ‚weich‘. Die Nudeln dürfen nicht ‚al dente‘ sein, sonst wären sie ja Pasta. Und das Gemüse kommt selbstverständlich aus der Konserve. So ist er nun mal, der Nudelsalat: bodenständig, einfach und bescheiden.
Der Nudelsalat ist uns Deutschen heilig, auch wenn unsere europäischen Nachbarn nur den Kopf schütteln können ob dieser hochkalorischen Köstlichkeit. Gerade das Leid unserer italienischen Freunde, deren Verhältnis zu Teigwaren noch um einiges emotionaler ist, könnte ob unserer kulnarischen Vorliebe vermutlich ganze Opern füllen.
Ein Stück kulinarische Emanzipation
Der Nudelsalat ist ein Kind des Wirtschaftswunders. Nach den Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre sind die Regale in westdeutschen Lebensmittelläden wieder prall gefüllt.
Deutschland ist im Wiederaufbau und wird Exportmeister: „Made in Germany“ steht hoch im Kurs. Jeder, der Arbeit sucht, findet eine Anstellung – und auch Frauen suchen vermehrt eine Aufgabe außerhalb des Haushalts.
Mittags wird also in der Kantine gegessen und abends bleibt die Küche weitestgehend kalt. Ein Nudelsalat ist da schnell zusammengestellt und dank der Konserven entfällt sogar der lästige Umweg zum Einkaufen.
Gaumenfreuden des Wirtschaftswunders: So aß man in den 1950er-Jahre
Geschmacklich darf‘s gerne ein bisschen mehr sein
Nicht umsonst wird die Wirtschaftswunderzeit auch als die Zeit der „Fresswelle“ bezeichnet. Nach Zeiten mit Essenmarken und Rationalisierungen wird in den 1950er-Jahren nicht mehr gekleckert, sondern richtig aufgefahren.
Kulinarisch orientiert man sich in der jungen Bundesrepublik am Vorbild aus den USA: Mayonnaise, Aspik und reich verzierte Cremespeisen stehen hoch im Kurs und sind nun auch für den deutschen Durchschnittshaushalt erschwinglich.
Als aus den USA schließlich auch die Mode der Cocktailpartys nach Deutschland herüberschwappt, wird das Kalte Buffet zum Must-Have. Und zwischen Schnittchen, Aufschnitt-Platten, Käseigel und gefüllten Eiern, da thront er inmitten der Köstlichkeiten auf der Anrichte: der Nudelsalat.
So himmlisch der Nudelsalat auch ist – weniger ist mehr. Mit dem Wirtschaftswunder hält in der deutschen Mitte auch der Wohlstandsbauch Einzug … und damit zwangsläufig auch diätkonforme Nudelsalat-Kreationen.