Wiedereröffnung nach dem Brand 2019

Notre-Dame: Die Pariser Kathedrale als kollektives Symbol

Stand
Autor/in
Giordana Marsilio

Am 15. April 2019 zerstörte ein Großbrand einen beträchtlichen Teil der Kathedrale Notre-Dame, ein Schock für die französische Hauptstadt. Nach jahrelangen Wiederaufbauarbeiten wird Notre-Dame nun wieder eröffnet. Das Interesse zeigt: Notre-Dame ist mehr als nur religiöses Zentrum, sie ist auch ein kulturelles und historisches Symbol, das eng mit der Geschichte von Paris verbunden ist.

„Jede Fläche, jeder Stein des ehrwürdigen Denkmals ist ein Blatt nicht allein der Geschichte des Landes, sondern auch derjenigen der Wissenschaft und Kunst.“. So beschreibt Victor Hugo 1831 die Pariser Kathedrale in seinem Roman „Der Glöckner von Notre-Dame.

Im französischen Original lautet der Titel schlicht „Notre-Dame de Paris“. Nicht der bucklige Glöckner Quasimodo, sondern die Kathedrale selbst und die Stadt um sie herum stehen eigentlich im Zentrum des Romans. Hugo schreibt eine Analyse der französischen Gesellschaft am Übergang zwischen Mittelalter und Neuzeit, er beschreibt ihre Widersprüche und Ungerechtigkeiten.

Die Kathedrale wird zum Symbol des Widerstands der Vergangenheit und des Kampfes gegen die Gleichgültigkeit der Gesellschaft.

Die Architektur ist das große Buch der Menschheit, der hauptsächliche Ausdruck des Menschen von verschiedenen Entwicklungsständen, entweder als Kraft oder als Intelligenz.

Ein Symbol für Frankreichs kollektives Gedächtnisses

Notre-Dame gilt als echtes Wahrzeichen der Stadt. Victor Hugo hebt Notre-Dame als universelles Symbol hervor, das die Entwicklung von Zivilisation, Wissen und kulturellem Ausdruck verkörpert. Die Kathedrale ist nicht nur ein sakrales Bauwerk, sondern auch ein Speicher des kollektiven Gedächtnisses und künstlerischen Schaffens.

Ähnlich äußerte sich auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, als er sich nach dem Großbrand 2019 in einer Videoansprache an die Nation wand. Die Kathedrale sei durch Kriege, Revolutionen und menschliche Fehler zerstört worden, so Macron, „aber jedes einziges Mal waren wir in der Lage, sie wieder aufzubauen“.

Cette cathédrale Notre-Dame, nous la rebâtirons. Tous ensemble. C’est une part de notre destin français. Je m’y engage : dès demain une souscription nationale sera lancée, et bien au-delà de nos frontières.

April 2019: Der Brand an Notre Dame

Die Reaktionen der französischen Bevölkerung verdeutlichten, wie viel Bedeutung noch heute in den Worten Victor Hugos steckt. Am 15. April 2019 brannte nicht irgendein Gebäude, sondern ein Teil der französischen Identität.

Am Abend des 15. Aprils 2019 begannen die Flammen im Dachgebälk zu lodern und verursachten einen Brand, der erhebliche Schäden an der Kathedrale anrichtete. Der Wiederaufbau kostete 700 Millionen Euro.
Am Abend des 15. Aprils 2019 begannen die Flammen im Dachgebälk zu lodern und verursachten einen Brand, der erhebliche Schäden an der Kathedrale anrichtete. Der Wiederaufbau kostete 700 Millionen Euro.

Neben internationalen Politiker*innen, die ihre Solidarität mit Frankreich zum Ausdruck brachten, brachten auch viele Prominent*innen, unter ihnen der französische Fußballstar Franck Ribéry , ihre Trauer in den sozialen Medien zum Ausdruck.

Quelle tristesse 🥺🤲🏼 Force à Paris 🇫🇷 #NotreDame pic.twitter.com/YlJ5f3l1hd

Der Großbrand verursachte erhebliche Schäden an der Kathedrale: Der Dachstuhl, der Spitzturm und ein Teil des oberen Gewölbes wurden zerstört. Ein Silberstreif am Horizont: Die Mauern im Kircheninneren, das Strebewerk und die berühmte Westfassade mit ihren beiden Glockentürmen blieben von den Flammen weitestgehend verschont.

Fünf Jahre nach dem Brand in der Kathedrale Notre-Dame de Paris wird diese wiedereröffnet. Staatspräsident Macron durfte als erster Besucher die Kirche besichtigen. An der Rekonstruktion waren rund 2000 Experten beteiligt: Architekten, Restauratoren, Zimmerleute, Steinmetze, Dachdecker sowie Geophysiker und Statiker.
Fünf Jahre nach dem Brand wird Notre-Dame de Paris wiedereröffnet. Staatspräsident Macron durfte als erster Besucher die Kirche besichtigen. An der Rekonstruktion waren rund 2000 Mitwirkende beteiligt: Architekten, Restauratorinnen, Zimmerleute, Steinmetze, Dachdeckerinnen sowie Geophysiker und Statikerinnen.

Am 8. Dezember 2024 wird Notre-Dame nun wiedereröffnet. Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte hatten bereits eine Woche zuvor die Gelegenheit, die wiederaufgebaute Kathedrale zu besichtigen.

Die Verfilmungen von „Der Glöckner von Notre Dame

Der Glöckner auf den Türmen von Notre-Dame hat viele Filmemacher*innen fasziniert. Hugos Roman diente als Vorlage für zahlreiche Verfilmungen, die erste bereits im Jahr 1905.

Gina Lollobrigida spielt Esmeralda neben Anthony Quinn als Glöckner Quasimodo.
Gina Lollobrigida spielt Esmeralda neben Anthony Quinn als Glöckner Quasimodo.

Eine der bekanntesten Adaptionen stammt aus dem Jahr 1956. Unter der Regie von Jean Delannoy schlüpften Gina Lollobrigida und Anthony Quinn in der Rolle der Tänzerin Esmeralda und des Glöckners Quasimodo. Die Verfilmung bleibt dem Roman weitgehend treu. Am Drehbuch arbeiteten Jean Aurenche und der Dichter Jacques Prévert.

Etwas jugendfreundlicher und abseits der Vorlage wandelte der Disney-Film, der für viele Kinder der 1990er-Jahre der erste Berührungspunkt mit Hugos Werk gewesen sein dürfte: Die Disney-Verfilmung von 1996 zählt heute als Zeichentrick-Klassiker und wurde für seine Musik auch 1997 für einen Oscar nominiert.

The Bells of Notre Dame - The Hunchback of Notre Dame ( GERMANY )

Der Glöckner ist auch auf der Bühne erfolgreich

Doch schon bevor die Bilder laufen lernten, war die Geschichte von Quasimodo, Esmeralda und Frollo auch auf der Bühne beliebt. Es gibt mehrere Opernadaptionen des Glückner-Stoffes, die erste entstand bereits wenige Jahre nach der Erstveröffentlichung: „La Esmeralda (1836), geschrieben von der Komponistin und Dichterin Louise Bertin. Das Libretto schrieb Victor Hugo selbst.

Heute in Frankreich (und darüber hinaus) ein moderner Klassiker: das Musical „Notre-Dame de Paris“. 1998 erwachten die Figuren der Kathedrale mit der Musik des bekannten italienischen Liedermachers und Sängers Riccardo Cocciante und Texten des Kanadiers Luc Plamondon zum Leben.

Garou - Belle (Live à Bercy)

Ort der französischen Geschichte

Notre-Dame ist aber nicht nur ein religiöses Symbol oder Ort der Kultur, sondern auch ein bedeutender Schauplatz der französischen Geschichte. Im Dezember 1804 krönte sich Napoleon hier zum Kaiser und 1944 feierte Frankreich in der Kathedrale die Befreiung des Landes von der Nazi-Besatzung.

Die Konstruktion der Kathedrale begann 1163, und die ersten Arbeiten wurden 1250 abgeschlossen. Auf dem Bild: Notre-Dame im Jahr 1950.
Der Grundstein für die heutige Kathedrale wurde 1163 gelegt, die erste Bauphase 1250 abgeschlossen. Auf dem Bild zu sehen: Notre-Dame im Jahr 1950.

Wieder Hoffnung

Wer in den letzten Jahren Paris besuchte, konnte die Geschichte der Kathedrale und den Fortschritt der Arbeiten direkt an der Baustelle verfolgen. Rund um Notre-Dame wurden zahlreiche Tafeln aufgestellt, die mit Bildern und Beschreibungen interessierte Besucher*innen auf dem Laufenden hielten. Das öffentliche Interesse war enorm.

Im Sommer 2024 Notre-Dame war noch eine Baustelle.
Im Sommer 2024 Notre-Dame war noch eine Baustelle.

Die Rekonstruktion der Kathedrale war nicht nur eine Pariser Angelegenheit: Es ist der Wiederaufbau eines nationalen Kulturguts, das den Geist der Gemeinschaft widerspiegelt – etwas, woran man sich gerade angesichts der aktuellen Regierungskrise in Frankreich mehr denn je erinnern sollte.

Alte Musik Notre Dame – Der Klang der gotischen Kathedrale

Nach dem verheerenden Brand vor 2019 Jahren wird die Kathedrale Notre Dame in Paris am Wochenende des 7./8. Dezember 2024 wiedereröffnet. Ein Rückblick auf die reiche musikalische Tradition dieser großartigen gotischen Kathedrale.

Forum Restaurierte Seele Frankreichs – Notre Dame 5 Jahre nach dem Großbrand

Michael Köhler diskutiert mit
Stefanie Markert, ARD-Korrespondentin Paris
Prof. Dr. Jürgen Ritte, Romanist, Paris
Prof. Dr. Barbara Schock-Werner, Kölner Dombaumeisterin a.D.

15.4.2019 Notre-Dame de Paris brennt

Am Abend des 15. April 2019 brennt die berühmteste Kathedrale von Paris: Notre-Dame. Vor allem der Dachstuhl ist betroffen. Erst nach vier Stunden, etwa um Mitternacht, gelingt es der Feuerwehr, den Brand unter Kontrolle zu bekommen. Kurz darauf produziert SWR-Reporter Matthias Zahn seinen Bericht.

Diskussion Baustelle Notre-Dame - Historischer Wiederaufbau oder moderne Neukonstruktion?

Baustelle Notre-Dame. Es diskutieren: Yvonne Faller - Münsterbaumeisterin Freiburg, Prof. Dr. Jörn Leonhard - Neuere und Neueste Geschichte Westeuropas, Universität Freiburg, Prof. Dr. Andreas Urs Sommer - Kulturphilosoph, Universität Freiburg

Musikthema Knapp 6 Monate vor der Wiederöffnung: Kirchenmusik in der Notre Dame und ganz Paris

In etwa einem halben Jahr öffnet Notre-Dame wieder ihre Pforten für Besucherinnen und Besucher. Im Pariser Wahrzeichen erklingt dann auch wieder die restaurierte Orgel. Bis es soweit ist, machen andere Kirchen in Paris mit Konzerten auf sich aufmerksam – mit Erfolg. Luis Jachmann berichtet über die Kirchenmusik vor Ort.

13.3.2021 Wiederaufbau von Notre-Dame – Forstleute spenden beste Eichen für Pariser Kathedrale

13.3.2021 | Nachdem im April 2019 die Kathedrale Notre-Dame in Paris abgebrannt ist, läuft zwei Jahre später der Wiederaufbau auf Hochtouren. Einen wesentlichen Beitrag dazu leisten Forstleute, die Bäume spenden, um das Holz zu ersetzen. Die schönsten Eichen Frankreichs wachsen 200 Kilometer südwestlich von Paris – in einem einst königlichen Wald. Ehrensache für die Forstleute, sie für den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen. Stefanie Markert war im März 2021 beim Fällen einer Eiche dabei. | http://swr.li/notre-dame-eichen

Diskussion Welche Zukunft hat Notre-Dame?

Es diskutieren: Prof. Dr. Jürgen Ritte - Literaturwissenschaftler, Paris, Prof. Dr. Barbara Schock-Werner - Kölner Dombaumeisterin a.D., Sabine Wachs - ARD-Korrespondentin, Paris, Moderation: Michael Köhler

Kunst, Politik und Propaganda Napoleon in Kunst und Kino: Der Kaiser und die Macht der Bilder

Für seinen Aufstieg zum wichtigsten Mann Europas setzte Napoleon bewusst auf die Macht der Bilder. Seine Bildpropaganda prägt unser Bild bis heute  – auch im Film von Ridley Scott.

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Giordana Marsilio