Auf der Nordseeinsel soll traditionell mit Kuhhörnern auf Frauen eingeprügelt werden. Ist das ein friesischer Einzelfall – oder sind Bräuche allgemein frauenfeindlich? Eine Kulturwissenschaftlerin erklärt, warum das Karnevaleske gern falsch verstanden wird.
Seit etwa 200 Jahren soll auf der Insel Borkum der sogenannte „Klaasohm-Brauch“ ausgeübt werden: Nach der Rückkehr vom Walfang werden die zu Hause gebliebenen Frauen von Männern mit Kuhhörnern geprügelt. Ist das ein friesischer Einzelfall – oder sind Bräuche dieser Art allgemein frauenfeindlich?
Die Kulturwissenschaftlerin Karin Bürkert forscht an der Universität Tübingen zu Brauchtum, unter anderem zur schwäbisch-alemannischen Fastnacht. Es gäbe zwar immer wieder übergriffige Fälle, sagt sie, dennoch könne man nicht alle deutschen Brauchtümer pauschal als sexistisch abtun. Gewisse Gruppendynamiken entstünden nur, wenn einzelne Akteure sie anleiteten.
Ventilfunktion und Spiegelbild der Gesellschaft
„Dadurch, dass das Karnevaleske eine Ventilfunktion in der Gesellschaft einnimmt, wird es oft missverstanden: Als eine Zeit, in der man über die Stränge schlagen darf.“ Menschen, die in Zünften aktiv sind, betonen aber: Über die Stränge zu schlagen muss gelernt sein. „Das ‚Schabernacktreiben‘ kennt klare Grenzen“, hält die Forscherin fest. Es sehe nicht vor, gewaltsam missbraucht zu werden.
Dass der sogenannte Verein Borkumer Jungens sich nun von der Tradition distanziert hat, und sich einige Frauen der Insel wiederum für sie aussprechen, zeige, wie lebendig traditionelle Bräuche ausgehandelt werden können: „Ein Brauch verändert seine Bedeutung über die Jahrhunderte und spiegelt die jeweilige Gesellschaft.“