Kommentar

Finito für den Sparer vom Dienst: Der ruhmlose Abgang von Christian Lindner

Stand
Autor/in
Jan Skudlarek

Mit dieser Ansage seines Kanzlers hatte der ehemalige Finanzminister Christian Lindner offenbar wirklich nicht gerechnet: dass er vor die Tür gesetzt wird. Nun spricht er im Nachhinein von einer „Entlassungsinszenierung"; dieser Abschied schmeckt nach Tränen und Verbitterung. Der Autor und Philosoph Jan Skudlarek hat einen Abschiedsbrief geschrieben, an den bekanntesten Sylt–Besucher Deutschlands.

Linder in der Ampel-Koalition: ein Berufsblockierer

Mit der Sanktionierung von Totalverweigerern ist das ja so eine Sache. Einerseits gibt es sie kaum, andererseits nehmen sie einen unverhältnismäßig großen Teil der politischen Diskussion ein.

Ein Totalverweigerer, der diese Woche von einer ganz besonderen Leistungskürzung betroffen war, heißt: Christian Lindner. Denn der ehemals oberste Herr der Finanzen, war in der Ampel-Koalition vor allem ein Berufsblockierer, der zum Leidwesen seiner Zweck-WG mehr verunmöglichte als ermöglichte.

Deutschlands frechster Arbeitsloser

So ist aus Deutschlands ehemaligem Finanzminister im Handumdrehen Deutschlands frechster Arbeitsloser geworden. Vom Kohle-Christian zum Florida-Rolf, alles per Olafschem Dekret.

Christian Lindner also, der menschgewordene Stock in den Speichen der Ampelregierung, schien so ganz und gar nicht vorbereitet auf seine Freistellung und trat vor die Kamera mit fragiler Fassungslosigkeit. Wie einer, der wieder und wieder mit dem Fuß auf eine gefrorene Eisfläche stampft und - zu seiner eigenen Überraschung - schließlich einbricht.

Eine kurze Opferrolle rückwärts

So wirkte der Ex-Minister bei seiner glasig-augigen, argumentativ unterfinanzierten Pressekonferenz. Olaf Scholz habe das hinterrücks von langer Hand geplant, warf der ehemals provozierende Ex-Angestellte seinem Ex-Chef vor; Scholz‘ Rede sei bereits geschrieben gewesen. Eine kurze Opferrolle rückwärts und schon war er verschwunden, der Sparer vom Dienst.

An diesem Mittwoch also hatte die fiskalische Verneinung ein Ende, finito. Ein Ende, das wenig zuvor verkündet wurde von einem überraschend kraftvollen Kanzler, der wenig zu tun hatte mit dem leblosen Scholzomaten, der unser Land nun schon mehrjährig mit merklich niedrigem Blutdruck durch allerlei Weltkrisen bürokratisiert.

Olaf Scholz am Mittwochabend: ein Doppelgänger?

Für alle möglichen Prominenten gibt es ja Doppelgängerverschwörungserzählungen. Paul McCartney soll bereits 1966 bei einem Autounfall ums Leben gekommen und von den Beatles ersetzt worden sein. Auch Wladimir Putin soll diverse Zwillinge und Humanduplikate haben, die seine Hochrisikotermine wahrnehmen.

Ich persönlich habe diesen Fantastereien nie großen Glauben geschenkt, bis Mittwoch. Denn ganz offenkundig war jener Olaf Scholz, der Mittwochabend vor die Kameras trat und in einer wütenden Pressekonferenz seinen Finanzminister vor die Ministerientür setzte, nicht Olaf Scholz.

Forum Nach dem Ampel-Aus – Wie geht's weiter?

Claus Heinrich diskutiert mit
Prof. Dr. Claudia Ritzi, Politikwissenschaftlerin, Universität Trier
Prof. Dr. Andreas Rödder, Historiker, Universität Mainz
Prof. Dr. Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler, Universität Kassel

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Klartext-Olaf legte offen, was das ganze Land seit drei Jahren denkt

Die Rede war klar und energisch, die Emotionen nicht nur vorhanden, sondern überpräsent. Christian Lindner sei ein Egoist, kleinkariert, verantwortungslos: Dieser Klartext-Olaf legte offen, was das ganze Land seit drei Jahren denkt. Das ganze Land eben, bis auf ein paar Porscheprozent. 

Man muss kein Orakel sein, um zu wissen, was definitiv nicht in Christian Lindners Arbeitszeugnis stehen wird: „Er hat sich stets bemüht.“ Wobei – er hat sich stets bemüht: Vizekanzler Robert Habeck und Kanzler Olaf Scholz das Leben so schwer wie möglich zu machen. Er hat sich stets bemüht, bei den Armen zu kürzen und die Reichen zu schonen. Er hat sich stets bemüht, Sozial- und Klimapolitik zu vereiteln.

Christian Lindner fällt weich

Wer jetzt denkt, ich ginge zu hart ins Gericht mit Deutschlands liebstem Syltbesucher, dem sei versichert: Christian Lindner fällt weich! Sehr weich sogar, im Gegensatz zu allen Bürgergeldempfängern, denen tatsächlich die Leistungen gekürzt werden; und im Gegensatz zu allen in Armut lebenden Kindern, denen wegen wirtschaftsliberaler Blasiertheit die von der Regierung geplante Kindergrundsicherung verwehrt wurde. Der überfällige Fall des Christian Lindners ist einer aus ganz geringer Fallhöhe, glasige Augen hin oder her.

Und es hat auch etwas Gutes: All die Dinge, die sich Exminister Lindner ursprünglich für die Elternzeit vorgenommen hatte, kann er schon jetzt tun: promovieren, jagen, fischen, imkern! Vorerst sogar noch: Auf Staatskosten.

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Autor/in
Jan Skudlarek