Am 3. August 2014 überfielen IS-Milizen jesidische Dörfer im Nordirak. Sie töteten Männer und verschleppten Frauen und Mädchen. Baden-Württemberg hat 2015 etwa 1.100 besonders schutzbedürftige Jesidinnen und ihre Kinder aufgenommen. Darunter auch Familie Alsilo. Wie geht es ihnen heute, nachdem sie alles in ihrer Heimat verloren haben? Und wie sieht ihre Zukunft in Deutschland aus?
2015 kam Familie Alsilo nach Baden-Württemberg
Familie Alsilo teilt sich eine Dreizimmer-Wohnung in Stuttgart Sillenbuch. Farhad Alsilo ist 21 Jahre alt und studiert Maschinenbau an der Technischen Universität Stuttgart. „Das ist etwas für mich , dass ich jeden Morgen und Abend dankbar bin“, sagt er. Farhads Schwester Basma ist 20 Jahre alt und macht gerade das Fachabitur.
Familie Alsilo kam 2015 als Kontingentflüchtlinge nach Baden-Württemberg.
Glauben „Zurück ins Leben“ – eine jesidische Familie in Baden-Württemberg
Familie Alsilo überlebte den Genozid an Jesiden im Nordirak und rettete sich mit Hilfe der baden-württembergischen Regierung in den Südwesten. Hier fasste sie neuen Lebensmut.
Überlebende des Genozids im Nordirak
Sie sind Überlebende des Genozids an den Jesiden im Nordirak, die Tausenden das Leben kostete. Am 3. August überfielen IS-Milizen auch ihr jesidisches Dorf und töteten fast alle Männer.
Farhad war elf Jahre alt, seine Schwester Basma zehn, als sie ihren Vater verloren.
Von IS-Männern verschleppt und misshandelt
Ihre älteren Schwestern Zeytun und Khawla wurden von IS-Männern verschleppt, misshandelt und sexuell missbraucht. Zeytun konnte der Gefangenschaft schwer verletzt entkommen. Sie war eine der ersten Jesidinnen, die als Kontingentflüchtling nach Baden-Württemberg ausgeflogen wurde. Dort wurde sie acht Mal operiert.
„Ich nehme drei verschiedene Medikamente gegen meine Rücken-, Kopf und Unterleibsschmerzen. Ich habe auch schlimme Alpträume. Sie verfolgen mich durch die ganze Nacht. Manchmal kann ich kaum schlafen. Deshalb mache ich seit Jahren eine Therapie“, sagt sie.
Dankbar, in Deutschland Schutz gefunden zu haben
Zeytun, ihre Schwester Khawla und ihre Mutter sind bis heute in psychotherapeutischer Behandlung. „Oft fehlt mir die Kraft“, sagt Zeytuns Mutter Khifshy Ginjo, „aber wir alle sind dankbar, dass Deutschland uns aufgenommen hat“.
„Was Zeytun und Khawla erlebt haben, werden sie nie vergessen können. Aber ich bin froh, dass wir alle hier sind. Ich bin froh zu sehen, dass es ihnen gut geht und sie etwas aus ihrem Leben machen. Ich lebe für meine Kinder“, sagt sie.
Pläne für die Zukunft
Familie Alsilo hat als Überlebende eines Genozids einen besonderen Schutzstatus. Trotzdem haben sie bislang nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Doch sie alle versuchen in Deutschland eine Perspektive aufzubauen.
Basmas Wunsch ist Grundschullehrerin zu werden, Farhad würde gern später als Maschinenbauingenieur arbeiten, Khawla als Erzieherin. Und Zeytun? „Ich habe schon als Kind genäht. Deshalb würde ich so gern in Deutschland eine Schneiderei eröffnen. Das ist mein großer Wunsch für die Zukunft“, sagt sie.
Nach Versklavung durch den IS Wie jesidische Frauen in BW zurück ins Leben finden
Als eine der ersten Jesidinnen kam Zeytun Alsilo auf der Flucht vor dem Islamischen Staat 2015 nach BW. Mittlerweile ist sie gut integriert, doch Ängste und Traumata bleiben.
Bundestag erkennt Verbrechen des IS als Völkermord an Jesidinnen in BW: Angst weiter ein ständiger Begleiter
Der Bundestag hat die Verbrechen der Terrororganisation IS an den Jesiden als Völkermord anerkannt. Baden-Württemberg hatte 2015 rund 1.000 jesidische Frauen und Kindern aufgenommen.
Vom IS ermordet: 10 Jahre nach dem Völkermord im Irak
Fast zehn Jahre ist der Völkermord an den Jesidinnen und Jesiden her: 2014 überfielen IS-Kämpfer ihre Dörfer und Städte im Nordirak. Sie ermordeten mehr als 5000 jesidische Menschen, verschleppten und versklavten Frauen und Kinder. Hunderttausende Menschen wurden mit einem Schlag zu Flüchtlingen – und viele werden noch immer vermisst. Wie geht es den jesidischen Menschen heute – knapp zehn Jahre nach dem Genozid? Dazu spricht Moderatorin Fumiko Lipp mit ARD-Korrespondent Ramin Sina. Er war im Irak und hat sich die Situation vor Ort angeschaut. Außerdem spricht Fumiko Lipp mit einem Überlebenden des Genozids, Duleem Ameen Haji. Er schildert seine Sicht als Betroffener und zeigt auf, was er sich von der Weltgemeinschaft und Deutschland zehn Jahre nach dem Völkermord erhofft.
Moderation: Fumiko Lipp
Redaktion: Nils Kopp, Julia Schuster
Foto: Cemal Taşdan
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