Glauben

„Zurück ins Leben“ – eine jesidische Familie in Baden-Württemberg

Stand
Autor/in
Susanne Babila
Onlinefassung
Carmen Maria Seibold

Familie Alsilo überlebte den Genozid an Jesiden im Nordirak und rettete sich mit Hilfe der baden-württembergischen Regierung in den Südwesten. Hier fasste sie neuen Lebensmut.

Basma Alsilo macht in einem Jahr ihr Fachabitur, ihr Bruder Farhad studiert Maschinenbau. Die Geschwister waren gerade mal 10 und 11 Jahre alt, als am 3. August 2014 Dschihadisten der Terrororganisation Islamischer Staat ihr Dorf Til Azar im Nordirak überfielen und ihren Vater töteten.

Der Tag an dem meine Kindheit endete

Ihre älteren Schwestern Zeytun und Khawla wurden gefangengenommen und verschleppt. Es war der Tag, an dem ihre Kindheit endete.

Wie ich dann zusehen musste, wie die Menschen dort umgebracht wurden, unter anderem mein Vater, haben einen schon zum Erwachsensein gebracht. (…), aber ich habe den richtigen Weg gefunden. Dass ich diesen Schmerz (…) in Stärke verwandele und dadurch durch das Leben komme und nicht mehr das Opfer des Lebens bin

Flucht und Gefangenschaft

Basma und Farhad flüchteten mit ihrer Mutter ins Sindschar-Gebirge. Dort waren sie der glühenden Hitze ausgesetzt, hatten Hunger und Durst. Mit US-Hilfe eroberten kurdische Kämpfer das Sindschar-Gebirge und öffneten einen Korridor, über den sie sich in ein Flüchtlingslager im Nordirak retten konnten. Auch Zeytun konnte einen Monat später fliehen. Sie war schwer verletzt. Ihre Schwester Khawla entkam erst nach einem Jahr. Sie fanden sich in einem Camp wieder.

Ihre Heimat im Nordirak musste Zeytun Alsilo verlassen. Nun hat sie in Baden-Württemberg eine zweite Heimat gefunden.
Ihre Heimat im Nordirak musste Zeytun Alsilo verlassen. Nun hat sie in Baden-Württemberg eine zweite Heimat gefunden.

Aufnahme in Baden-Württemberg

Die baden-württembergische Landesregierung holte 2015 etwa 1100 besonders schutzbedürftige Frauen und Kinder nach Deutschland. Zeytun wurde als eine der ersten Überlebenden nach Stuttgart ausgeflogen und acht Mal operiert. Jetzt kann sie wieder hören, leidet aber immer noch unter starken Schmerzen. Ihre Familie folgte später nach.

Ich nehme drei verschiedene Medikamente gegen meine Rücken-, Kopf und Unterleibsschmerzen. Ich habe auch schlimme Alpträume. Sie verfolgen mich durch die ganze Nacht. Manchmal kann ich kaum schlafen. Deshalb mache ich seit Jahren eine Therapie

Das Trauma bleibt

Zeytun Alsilo, ihre Schwester Khawla und ihre Mutter Kifshey Ginjo sind bis heute in der psychologischen Beratungsstelle für politisch Verfolgte und Vertriebene der Evangelischen Gesellschaft in therapeutischer Behandlung. Der Glaube hilft uns, sagen Zeytun, Khawla und ihre Mutter. Und ich bin dankbar, dass Deutschland uns aufgenommen hat.     

Kifshy Ginjo an ihrer Nähmaschine
Kifshy Ginjo an ihrer Nähmaschine

Was Zeytun und Khawla erlebt haben, werden sie nie vergessen können. Aber ich bin froh, dass wir alle hier sind, (in Sicherheit). Ich bin froh zu sehen, dass es ihnen gut geht und sie etwas aus ihrem Leben machen. Ich lebe für meine Kinder

Glaube und Familie als Anker

Familie Alsilo hat in Deutschland wieder neuen Lebensmut gefasst. Als Überlebende und Kontingentflüchtlinge stehen sie in Baden-Württemberg unter besonderem Schutz. Dennoch haben sie immer wieder Angst vor Abschiebung, da Zeytun, Khawla, Basma und ihre Mutter eine befristete Aufenthaltserlaubnis haben, die sie alle zwei Jahre verlängern müssen.

Trotz all‘ das haben wir uns entschieden ein neues Leben aufzubauen. Wir haben trotzdem das Ganze im Kopf, in Erinnerung überall, in Bildern, sage ich mal. Aber trotzdem versuchen wir uns immer abzulenken, mit der Schule, mit Arbeit und einfach als Deutsche zu leben

Zukunft in Deutschland

Farhad möchte nach seinem Studium als Maschinenbauingenieur in der Automobilindustrie arbeiten, Zeytun eine Schneiderei eröffnen, Khawla eine Ausbildung als Erzieherin machen und Basma? Sie möchte Grundschullehrerin werden. 

Mein Traum ist Grundschullehrerin zu werden. Ich hatte die Möglichkeit, zwei Wochen ein Schulpraktikum zu machen. (…) Das war so ein schönes Gefühl. Sie haben mich Frau Alsilo genannt und ich durfte dann an meinem letzten Tag die Kinder noch unterrichten. Also mein Traumziel oder Wunsch ist, Lehramt zu studieren und Kinder zu unterrichten

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Autor/in
Susanne Babila
Onlinefassung
Carmen Maria Seibold