Ich bin Merve Uslu, 25 Jahre alt und Ethnologiestudentin. Momentan arbeite ich als studentische Hilfskraft in der Abteilung Integration der Stadtverwaltung Ludwigshafen am Rhein.

Kısmet - Ein Film von Merve Uslu
Ich setzte mich seit einer Weile mit der Migrationsgeschichte meiner Familie auseinander und arbeite hierfür mit Bild- und Videomaterialien aus dieser Zeit. Die alten Fotoalben und Bilder symbolisieren aus diesem Grund die Bindung zu meinen türkischen Wurzeln. In meinem Dokumentarfilm „Kısmet – Eine Geschichte zwischen Schicksal und Sehnsucht“ (2020) habe ich ein für mich sehr wichtiges Thema aufgearbeitet: Die Sehnsucht und Bindung an den Heimatort, den meine Großeltern in den 60er Jahren als türkische Gastarbeiter verließen. Die Fragen, was sie damals hinterlassen haben und wie sich die Beziehungen zu ihren Familien im Heimatort entwickelt hat, waren mir dabei besonders wichtig.
Zeit ist relativ
Diese Geschichte mündet eigentlich auch an dem Gegenstand, mit dem ich mich mit meiner deutschen Seite identifiziere, eine alte Wanduhr. Ich erinnere mich gerne an ein Zitat meines Opas aus meinem Dokumentarfilm. Da sagte er: „Ich wollte zwei Jahre in Deutschland bleiben. Die zwei Jahre sind immer noch nicht vorüber.“

„Dass es vielen Gastarbeiter*innen so ging, liegt auf der Hand, denn die Zeit ist manchmal doch wohl eher ein Gefühl, von dem man sich treiben lässt, anstatt eine Verpflichtung.“
Ich selbst bin in Deutschland geboren und aufgewachsen und merke auch sehr oft, wie ich ganz schnell in alten Erinnerungen meiner Großeltern schwelge.
Eine Reise in die Vergangenheit
Die Fotoalben und die Wanduhr sind zwar unterschiedliche Gegenstände, haben jedoch eine wichtige Verknüpfung: Ich habe während der Dreharbeiten für den Film meine Großeltern nicht nur als die Personen kennengelernt, mit denen ich aufgewachsen bin. Es ging eher darum, dass sie mir das Gefühl von Heimat vermittelt haben. Durch das Erinnern an alte Begegnungsorte, Erlebnisse, Erfahrungen und Herausforderungen hatte ich das Gefühl, dem früheren Ich meiner Großväter begegnet zu sein.

„Ich musste eine lange Reise in die Heimatstadt meiner Großeltern unternehmen, um auch zurück zu meiner eigenen Identität zu kehren. Mein Türkischsein als fundamental für mein Deutschsein zu sehen und umgekehrt. Eine Kehrtwendung in meinem Leben.“
Das Herz schlägt für zwei Heimaten
Ich bin meinen Großeltern unendlich dankbar, dass sie damals diesen Schritt gewagt haben, Herausforderungen eingegangen sind, sich ihren Ängsten stellten und dennoch rückblickend so darüber sprechen können, als wäre es gestern gewesen. Auch wenn sie ihren Heimatort verlassen haben, merkte ich während meiner Dreharbeiten, wie leidenschaftlich sie die Heimat beschreiben, aber sich von Deutschland auch nicht trennen können. Denn hier entstanden mit der Zeit neue Generationen, die das Bindeglied zwischen zwei Kulturen sind. So identifiziere ich mich zumindest …
„Ob deutsch oder türkisch, ich muss mich nicht entscheiden, denn ich bin so oder so stolz auf meine Geschichte, stolz auf die Spuren meiner Herkunft.“