Ende der Zeitumstellung noch vor der Europawahl 2019?
„Millionen haben geantwortet und sind der Auffassung, dass es so sein sollte, dass die Sommerzeit in Zukunft für alle Zeit gilt. So wird es auch kommen.“ Das verkündete EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach der Abstimmung Ende August. Noch vor der Europawahl im Mai 2019 soll die Zeitumstellung Geschichte sein.
Damit wäre Schluss mit dem eigentümlich feierlichen Zurückdrehen der Zeiger am Sonntagmorgen. Schluss mit dem planlos-hektischen Rumdrücken an den Digitaluhren vom Auto bis zum Backofen. Und natürlich auch Schluss mit der ewigen Frage, ob man jetzt eigentlich eine Stunde gewinnt oder verliert, wie sie Pigor in seinem Lied „Uhrangst“ besingt.
Das Deutsche Reich führte die Sommerzeit schon 1916 ein
Die Deutschen und die Zeitumstellung – das ist die Geschichte einer schwierigen On-Off-Beziehung. 1916 führte das Deutsche Reich als erstes Land weltweit die Sommerzeit ein. Durch den Krieg war der Brennstoff knapp geworden. Längeres Tageslicht sollte den Verbrauch von Petroleum, Gas, Kohle und Paraffinkerzen drosseln.
Mit dem Ende des Weltkriegs kehrte man zur Normalzeit zurück. 1940 führte Hitler die Sommerzeit kriegsbedingt erneut ein, die junge BRD schaffte sie 1950 gleich ab. Seit 1980 gilt sie wieder, mittlerweile in der ganzen EU. Studien zeigen allerdings, dass der erhoffte Spareffekt beim Energieverbrauch gen Null tendiert.
Zeitumstellung - negativ, längeres Tageslicht - positiv
Wissenschaftler sind uneinig, ob die Vor- oder die Nachteile der Zeitumstellung überwiegen: einerseits bringt sie den Biorhythmus von Mensch und Tier durcheinander. Andererseits wirkt sich das längere Tageslicht positiv auf die Gesundheit aus.
Das Hin und Her muss aufhören!
Die Deutschen sind sich dagegen sicher: das Hin und Her muss aufhören. Die Vehemenz der Abneigung lässt aufhorchen. Steckt hinter der Ablehnung der kleinen Zeitumstellung vielleicht eine viel größere Angst?
Der Psychologe Stephan Grünewald, Autor des Buchs „Deutschland auf der Couch“, vermutet, dass „gerade weil es Deutschland gut geht, wir am liebsten die Zeit anhalten würden, in einen Zustand permanenter Gegenwart einsteigen könnten, weil jede Änderung, jede Zukunftsperspektive eher verheißt, dass die tollen Jahre vorbei sind."
Die Zeitumstellung also als Projektion für die große Zeitenwende der Globalisierung mit all ihren Begleiterscheinungen. Die unübersichtliche Weltlage, der Umbruch der Arbeitswelt, die Angst vor dem Fremden. Der Verzicht auf die Zeitumstellung wäre demnach also ein symbolisches Aufbäumen gegen die allumfassende Transformation.
Forderung: Jedem Bürger seine eigene Zeit!
Ob nun die ständige Sommer- oder die ständige Winterzeit kommt, steht noch nicht fest – jedes Land in Europa soll selbständig entscheiden. In Zeiten eines eng verflochtenen Binnenmarkts und aufeinander abgestimmter Flugpläne eine absurde Vorstellung.
Vielleicht ist die EU aber auch nur visionär. Vielleicht sollte man im Zeitalter der gefühlten Wahrheiten sogar noch einen Schritt weitergehen und jedem Einzelnen seine gefühlte Uhrzeit zugestehen. Keine staatliche Bevormundung mehr! Jeder Bürger könnte künftig entscheiden, ob er umstellt und wenn ja auf welche Zeit. Ich finde, darüber sollte die EU als nächstes abstimmen lassen.