Roman-Noir – Dunkle Seiten für dunkle Zeiten
Korruption, Bestechung, Betrug, Geldwäsche – nie sah es so düster aus auf der Welt. Global stehen die Zeiger auf fünf vor zwölf. Doch bevor uns allen die Stunde schlägt, wird die Uhr sechzig Minuten zurückgestellt. Diese geschenkte Stunde nutzen SWR2 und NDR gemeinsam, und das gleich siebenfach: In der „Winterzeit“ bringen wir sieben Stundenhörspiele nach den gleichnamigen Politthrillern von Dominique Manotti ins Programm, die im Argument Verlag/ Ariadne erschienen sind. Die Reihe besteht aus drei Zweiteilern und einem Einteiler. Sie läuft 2019/ 20 von der Zeitumstellung in die Winter- bis zur Zeitumstellung in die Sommerzeit. Alle Noir-Stücke für die dunkle Jahreshälfte wurden neu produziert und werden nun nacheinander urgesendet.
Dominique Manotti (geboren 1942 in Paris) steht als Name einzigartig für den politisch brisanten Roman noir. Sie verbindet verbürgte Fälle mit fiktionalisierten und frei erfundenen Momenten, wobei sie die Fantasie stets in den Dienst einer gesellschaftlichen Analyse stellt. Ihre fundamentale Kritik der globalen Verhältnisse ist frei von Pathos und aufdringlichen ideologischen Ausdeutungen.
Mit „Ausbruch“, einem Kriminalhörspiel in zwei Teilen, beginnt die Werkschau, die sich aus dem umfangreichen Œuvre dieser engagierten Autorin exemplarisch vier Titel herausgreift.
Italien 1987: Der junge Kleinkriminelle Filippo Zuliani freundet sich im Gefängnis mit Carlo an, einem politischen Gefangenen der extremen Linken. Carlo ist ein Charismatiker, den Filippo bewundert. Gemeinsam gelingt ihnen die Flucht. Die für Carlo bei einem Banküberfall in Mailand tragisch endet – was Filippo wiederum in eine Krise stürzt. In Paris sucht er den Kontakt zu Exil-Italienern, und um eine ehemalige Aktivistin zu beeindrucken, versucht er, seine Geschichte aufzuschreiben. Das Buch verspricht, ein Bestseller zu werden – aber ist das Ganze nicht reine Fiktion? Als Schelm und Hochstapler gerät Filippo zwischen die Fronten aus Polit-Exilanten, linken Aktivistinnen, italienischer Polizei und Geheimdiensten. Manottis Roman über den kleinen Gauner Filippo Zuliani, der durch seine Knastbekanntschaft mit einem Kopf der Roten Brigaden in die links-intellektuellen Kreise von Paris aufsteigt und zum gefeierten Romanautor avanciert, rollt eine wichtige Phase der italienischen Geschichte wieder auf, ohne dabei in Revolutionsromantik zu verfallen.
Der zweite Hörspiel-Zweiteiler „Roter Glamour“ greift das politische Klima Mitte der 1980er-Jahre in Frankreich auf: Ein französisches Transportflugzeug mit Waffen für den Iran wird über der Türkei abgeschossen. Wer hatte hier seine Finger im Spiel? Auf jeden Fall ein peinlicher Zwischenfall für die Regierung Mitterand, der auf keinen Fall an die Öffentlichkeit kommen darf. Denn es ist Wahlkampf in Frankreich. In einem äußerst nüchternen Stil arbeitet Dominique Manotti eine nahe Vergangenheit auf, die geprägt ist von zerstörten Utopien und verlorenen Hoffnungen
Das zeichnet auch die beiden Folgeproduktionen aus, die zu Beginn des Frühjahrs 2020 laufen: „Kesseltreiben“ und „Abpfiff“. Während sich die Autorin in „Abpfiff“ mutig hinter die Kulissen der großen Bühne des Fußballs vorwagt, schildert sie in „Kesseltreiben“, dem aktuellsten Manotti-Titel, die Übernahme eines französischen Konzerns durch den US-Konkurrenten, umrankt von organisierter Kriminalität, Regierungspolitik und Geheimdienstaktivitäten. Das Buch schaffte es auf Platz 2 der Krimibestenliste: „Böses Lehrstück mit langer Halbwertzeit“.