Das Zentralinstitut für kassenärztliche Versorgung spricht von einem deutschlandweiten Problem. 27,5 Millionen Termine würden pro Jahr ohne vorherige Absage nicht wahrgenommen.
Mainzer Ärztin: Zehn Prozent der Termine fallen ohne Absage aus
Stefanie Lutz untersucht ihren nächsten Patienten, er ist pünktlich erschienen. Doch auch in ihrer Praxis in der Mainzer Innnenstadt fallen immer wieder Termine aus, die von den Patientinnen und Patienten vorher nicht abgesagt werden.
Die Ärztin beklagt, es sei normal, dass täglich bis zu zehn Prozent der Termine ausfallen - ohne eine Absage. Und das sei in vielen Arztpraxen so. "Ärgerlich ist vor allem, wenn Termine, wie das Langzeit-EKG, ausfallen. Da ist das Gerät dann 24 Stunden weg und das kann ich dann nicht weitergeben."
Forderung nach einheitlichen Strafgebühren für säumige Patienten
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) fordert daher eine einheitliche Regelung im Hinblick auf die Strafgebühren für säumige Patienten. Eine solche Strafgebühr sollten die Krankenkassen übernehmen, forderte KBV-Vorsitzender Andreas Gassen unlängst in der Bild-Zeitung. "Es ist nicht nur ärgerlich, wenn Patienten Termine in Praxen buchen und diese einfach verstreichen lassen", betonte der Verbandschef. "Praxen können Termine ja nicht zweimal vergeben." Daher sei "eine von den Krankenkassen zu entrichtende Ausfallgebühr" angemessen, "wenn deren Versicherte Termine vereinbaren und dann unentschuldigt nicht wahrnehmen". Schon jetzt können Arztpraxen diese einfordern, aber es gibt keine Verpflichtung dazu.
Strafgebühren sind mit hohem Aufwand verbunden
Stefanie Lutz hält Strafbebühren grundsätzlich für ein geeignetes Mittel, aber für ihre Praxis sieht sie keine Möglichkeit, das umzusetzen.
Am Vortag seien in ihrer Praxis zehn Termine ausgefallen, erzählt sie dem SWR. Daran müsse sich was ändern, doch den bürokratischen Aufwand könnten sie und ihre Kolleginnen nicht leisten. Auch der Hausärzteverband Rheinland-Pfalz sieht das ähnlich. Es gebe wichtigere Dinge, die für Hausärzte geregelt werden müssten als Strafgebühren für Patienten.
Welche Patienten sagen ihre Termine einfach nicht ab?
Nach Angaben von Stefanie Lutz sind es zum einen neue Patientinnen und Patienten, die ihre Termine nicht absagen. "Sie nehmen den Termin, den sie am schnellsten bekommen und sagen nicht ab. Bei den langjährigen sind es immer dieselben. Die sprechen wir auch an, wenn der nächste nicht wahrgenommen wird, dann gibt's keinen Termin mehr."
Auch ihr Patient Gert Albrecht hält die Strafgebühren für angemessen. "Ich finde das richtig, zumal es heutzutage überhaupt kein Problem mehr ist, wenn man einen Termin nicht einhalten kann. Denn zum Beispiel hier in der Praxis gibt es das Internetportal, ich kann auch direkt eine Mail schicken und sagen, der Termin geht bei mir gar nicht", meint Albrecht.
Strafgebühr gegen Terminschwänzer Meinung: Gelbe und rote Karten für Kassenärzte
Wer einen Arzttermin sausen lässt, ohne vorher abzusagen, richtet wirtschaftlichen Schaden an. Martin Rupps spricht sich für ein Sanktionsmodell mit gelben und roten Karten aus.
Kassenärztliche Vereinigung RLP auch für Strafgebühren
Auch die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz spricht sich für die Strafgebühren aus. Sie fordert jedoch, dass die Patienten die Gebühren selbst übernehmen sollen und nicht, wie die Bundesvereinigung es will, die Krankenkassen.
Peter Heinz von der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz betont: "Wenn ein Patient den Termin nicht wahrnimmt, sehen wir schon auch den Patienten in der Pflicht, diese Kosten, die dadurch entstehen, auszugleichen. Die Kosten werden ja von der Solidargemeinschaft getragen."
Angespannte Finanzlage bei Arztpraxen Kassenärzte fordern Strafzahlung, wenn Patienten Termine nicht absagen
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung spricht sich für Strafzahlungen aus, wenn Patienten Termine ohne Entschuldigung nicht wahrnehmen. Auch in Rheinland-Pfalz sorgt das für Ärger.
Praxis in Worms hat Strafgebühren bereits eingeführt
Joachim Wahlig ist Facharzt für Chirurgie und führt vor allem Haut- und Fußoperationen ambulant durch. Seit sechs Monaten erhebt er Strafgebühren in seiner Praxis. "Am meisten regt mich auf, dass wir Fachärzte immer so dargestellt werden, als hätten wir keine Termine. Dabei haben wir sie. Sie werden nur oft nicht wahrgenommen."
Bürokratisch sei das für ihn machbar, so Wahlig im SWR. Denn er fordere die Strafgebühren nur für nicht wahrgenommene OP-Termine ein. Das seien weniger als der tägliche Terminausfall in einer Hausarztpraxis, sagt Wahlig. "Die Patienten müssen die zahlen, sonst bekommen sie keine Termine mehr. Aber wir merken, dadurch sind die Ausfälle weniger geworden.“
Auch Ärztevereinigung WOGE unterstützt Strafgebühren
Die Ärztevereinigung "Wormser Gesundheitsnetz" (WOGE) verwaltet rund 100 Ärztinnen und Ärzte rund um Worms, auch die Praxis von Joachim Wahlig. Auch sie sieht die Gebühren eher als geeignetes Mittel für Fachärzte und nicht so sehr für Hausärzte - aufgrund des hohen bürokratischen Aufwands.
Die Diskussion zeige aber, dass Terminausfälle ein wirkliches Problem in Arztpraxen seien, hieß es von der WOGE. Um eine Lösung zu finden, müssten erst bürokratische Hürden verringert werden, damit eine Strafgebühr nicht nur Fachärzte sondern auch Hausärzte entlaste.