Pro Familia fordert bessere Versorgung

Keine Abtreibungen in Trier: "Das ist für Frauen sehr frustrierend"

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Autor/in
Solveig Naber
Foto von Solveig Naber, Redakteurin bei SWR Aktuell im Studio Trier

Frauen, die in der Region Trier einen Schwangerschaftsabbruch wollen, stehen vor einem Problem. Zu wenige Ärzte sind nur ein Grund, sagt Claudia Heltemes von Pro Familia in Trier.

Das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche wurde im vergangenen Jahr abgeschafft. Der Paragraf 218, der Abtreibungen unter Strafe stellt, soll reformiert werden. Trotzdem gibt es für Frauen in der Region Trier, die abtreiben lassen möchten, auch weiterhin keine Versorgung vor Ort.

Auf das Problem soll auch der "Safe Abortion Day" am Donnerstag aufmerksam machen, der sich für das Recht auf sicheren und legalen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen einsetzt.

Claudia Heltemes von Pro Familia in Trier berät schwangere Frauen, die eine Abtreibung machen lassen wollen.
Seit 22 Jahren berät Claudia Heltemes bei Pro Familia in Trier schwangere Frauen. Die Psychologin fordert für Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch wollen, eine Versorgung vor Ort.

SWR Aktuell: Wie ist die Situation für Frauen in Trier, die einen Schwangerschaftsabbruch möchten?

Claudia Heltemes: Es gibt drei Beratungsstellen für die Schwangerschaftskonfliktberatung, die für die Stadt Trier und den Kreis Trier-Saarburg zuständig sind. Von den drei Trägern ist einer katholisch, das heißt, sie können dort keinen Schein für einen Schwangerschaftsabbruch vergeben. Daher reduziert sich das auf das Diakonische Werk in Trier und Pro Familia.

Das Diakonische Werk ist personell sehr dünn ausgestattet. Das heißt, die allermeisten Schwangerschaftskonfliktberatung gibt es bei Pro Familia in Trier. Zu uns kommen zwischen 350 und 390 Frauen im Jahr, um eine Schwangerschaftskonfliktberatung zu machen. Die ist gesetzlich vorgeschrieben, bevor eine Frau eine Schwangerschaft beenden kann.

"Wenn eine Frau einen operativen Abbruch möchte, ist die nächste Adresse im Saarland oder auch noch weiter weg."

Wenn sich eine Frau für den Abbruch der Schwangerschaft entschieden hat, dann muss sie entscheiden, welches Verfahren sie wünscht. Ob medikamentös oder operativ.

Da hat sich in den letzten anderthalb Jahren etwas bewegt. Inzwischen gibt es zwei Arztpraxen in der Region, die ein Angebot für einen medikamentösen Abbruch machen. Wenn eine Frau einen operativen Abbruch möchte, ist es immer noch so, dass die nächste Adresse im Saarland ist oder noch weiter weg. Das sind für die Frauen schon mal 100 Kilometer und mehr.

Schwangerschaftsabbruch Abtreibung – was muss ich wissen?

Der Paragraf 219a - das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche - ist schon lange umstritten. Jetzt hat das Kabinett seine Abschaffung auf den Weg gebracht. Abtreibungen bleiben in Deutschland aber grundsätzlich eine Straftat. Unter welchen Bedingungen sind sie also erlaubt? Welche Methoden gibt es? SWR Wissen hat recherchiert.

Kein Schwangerschaftsabbruch in Trierer Krankenhaus möglich

SWR Aktuell: Woran liegt es, dass Frauen aus der Region Trier für eine operative Abtreibung so weit fahren müssen?

Helmetes: Es gibt hier in Trier und Umgebung keine Arztpraxis dafür. Es gibt auch keine Klinik, die das für die Frauen anbietet. Das liegt daran, dass es in der Stadt Trier nur eine Klinik mit einer gynäkologischen Abteilung gibt. Die ist in katholischer Hand. Da gibt es klare Leitlinien. Und die beinhalten auch, dass ein operativer Eingriff für einen Schwangerschaftsabbruch nicht gemacht wird.

"Da gibt es keine Bereitschaft von Seiten des katholischen Krankenhauses in Trier."

Natürlich werden sie tätig, wenn eine Frau mit Komplikationen nach einem Schwangerschaftsabbruch in die Klinik kommt. Dazu ist jede Klinik verpflichtet. Aber das andere wäre ja die Unterstützung, die aktive Unterstützung des Schwangerschaftsabbruchs. Und da gibt es keine Bereitschaft von Seiten des katholischen Krankenhauses in Trier.

SWR Aktuell: Vor welche Schwierigkeiten stellt das die Frauen, wenn die nächste Arztpraxis 100 Kilometer entfernt ist?

Heltemes: Wenn eine Frau sich für den operativen Schwangerschaftsabbruch mit Vollnarkose entscheidet - was die meisten tun - muss die Frau, ob sie will oder nicht, eine Begleitperson mit einbeziehen. Der Eingriff wird ambulant durchgeführt. Das heißt, sie braucht jemanden, der sie nach Hause bringt, entweder im Zug begleitet oder mit dem Auto fährt. Sie muss auf jeden Fall eine Person ins Vertrauen ziehen, ob sie will oder nicht.

"Es gibt viele Situationen, bei denen die Frauen niemanden einbeziehen wollen."

Aus unterschiedlichsten Gründen haben Frauen aber manchmal kein soziales System vor Ort, weil sie frisch zugezogen sind. Studierende sind häufiger mal in dieser Situation, aber auch religiöse, berufliche oder familiären Gründe spielen eine Rolle. Oder eine Schwangerschaft ist durch einen Außenkontakt entstanden. Es gibt viele Situationen, bei denen die Frauen niemanden einbeziehen wollen. Aber sie müssen sich dann outen, um eine Begleitperson einzubeziehen, aufgrund der Tatsache, dass es vor Ort kein Angebot gibt.

Oder aber sie müssen auf den operativen Eingriff mit Vollnarkose verzichten und sich für eine Lokalanästhesie entscheiden, die unter Umständen körperlich oder mental anders wahrgenommen werden kann. Weil die Frau dabei bei Bewusstsein ist und auch Schmerzen spüren kann.

Zu wenig Frauenärzte in der Region

SWR Aktuell: Welches weitere Problem gibt es für die betroffenen Frauen in und um Trier?

Heltemes: Mein Eindruck ist, dass schon die Feststellung der Schwangerschaft nicht immer einfach ist für die Frauen, die zum Beispiel noch nicht lange hier sind und keinen festen Frauenarzt, keine feste Frauenärztin haben.

Da erreichen uns immer mal wieder Anruferinnen, die sagen, ich habe jetzt viele Arztpraxen angerufen und niemand kann mir einen Termin geben, um kurzfristig die Schwangerschaft feststellen zu lassen. Das ist für die Frauen schon sehr frustrierend. Solche Erfahrungen in so einer Ausnahmesituation zu machen, wenn die Schwangerschaft ungeplant oder auch ungewollt ist.

SWR Aktuell: Was ist nötig, um den betroffenen Frauen besser zu helfen?

Heltemes: Eine angemessene Versorgung vor Ort. Es ist aber auch so, dass eine Praxis, die einen operativen Schwangerschaftsabbruch anbieten möchte, ganz bestimmte Strukturen innerhalb der Praxis haben muss. Da muss es bestimmte Hygiene-Abläufe geben, bestimmte Wartebereiche. Ruheräume müssen da sein und Räume für den Eingriff. Es braucht eine adäquate Ausstattung.

Pro Familia setzt sich dafür ein, dass der operative Schwangerschaftsabbruch auch mit der schonenderen Methode der Vakuumaspiration angeboten wird, wofür es eine spezielle Technik braucht. Das alles sind Dinge, die nicht jede Praxis hat. Das ist vor Ort nicht verfügbar und die räumlichen Bedingungen und Hygiene-Abläufe gibt es in den Praxen nicht.

Ein weiteres Problem: Die Praxis benötigt eine schriftliche Hintergrund-Vereinbarung mit dem Krankenhaus vor Ort, wenn es zu Komplikationen kommt. Es ist zwar selten, dass Komplikationen auftreten beim Schwangerschaftsabbruch, statistisch gesehen unter drei Prozent. Aber es kommt vor. Und dann braucht es eine gute medizinische, schnell verfügbare Versorgung. Dafür würde wiederum das Angebot der Klinik gebraucht. Und - wie erwähnt - haben wir nur ein katholisches Krankenhaus mit einer Gynäkologie in Trier. Die wollen eine solche Vereinbarung nicht treffen.

SWR Aktuell: Ist das im 21. Jahrhundert noch zeitgemäß?

Heltemes: Aus Sicht der Frauen wäre es wünschenswert, ein angemessenes Versorgungssystem lokal vor Ort zu haben. Ist das Antwort genug?

SWR Aktuell: Warum wird es den Frauen so schwer gemacht? Weil der Schwangerschaftsabbruch noch immer ein Tabu ist, ein Stigma?

Heltemes: Ja schon. Ich habe aber den Eindruck, in den letzten Jahren haben wir zumindest in Trier ein Netzwerk. Das nennt sich feministische Vernetzung. Das sind überwiegend junge Leute, die auch aktiv auf die Straße gehen. Zum "Safe Abortion Day" auch wieder. Sie erzeugen über Instagram, über Facebook viel Aufmerksamkeit. Ihr Auftreten in der Öffentlichkeit auch. Sie bewegen ein bisschen was. Wie auch die endlich umgesetzte Abschaffung des §219.

Aber es ist tatsächlich noch immer so, dass Frauen sich schämen, weil sie in die Situation gekommen sind, ungeplant schwanger zu sein. Oder dass sie bei einem katholischen Träger arbeiten und nicht sicher sind, was passieren würde, wenn der Träger erfährt, dass es sich für einen Abbruch entschieden haben. Oder dass sie Sorge haben, wie wird das von ihrer Familie gesehen, von ihrem Freundeskreis. Das Recht auf selbstbestimmte Entscheidung und dies als Grundlage der sexuellen reproduktiven Rechte in der Gesellschaft zu verankern, das ist zwingend das Ziel.

SWR Aktuell: Ist es noch ein weiter Weg, bis dieses Ziel erreicht wird?

Heltemes: Aus meiner Sicht ist es noch ein weiter Weg. Es hat ja auch viel mit Machtverhältnissen zwischen Männern und Frauen zu tun, auch das ist ein Aspekt des Schwangerschaftsabbruchs. Aber vieles andere auch. Man kann das noch sehr viel weiter fassen. Die Frage der Kinderbetreuung etwa. Warum sind es immer noch die Frauen, die überwiegend in Elternzeit gehen? Klar, Männer zunehmend auch, aber meist eben deutlich kürzer und auch nicht mit dem Rückschritt im Berufsleben. Also, da ist noch ganz viel zu tun an der Stelle.

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