Der Hof von Familie Meyer in Duppach liegt nur 20 Kilometer von der belgischen Grenze entfernt. Dennoch fühlt sich Brüssel für die Familie und ihre Rinder wie eine andere Welt an. Was in der EU-Metropole beschlossen wird, können die Bauern trotzdem nicht ignorieren.
Insbesondere das Abkommen der Europäischen Kommission mit den sogenannten Mercosur-Staaten macht Landwirtin Hannah Meyer Sorgen: "Ich mache mir Gedanken um meine Zukunft."
Denn die 25-Jährige will den Hof ihres Vaters übernehmen. Falls es sich dann überhaupt noch lohnt, Rinder in der Vulkaneifel zu halten. Denn wenn die EU ihre Agrarmärkte für Produkte aus Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay öffnet, dürfte auch in unseren Supermärkten mehr günstiges Fleisch aus Südamerika landen.
Hannah Meyer befürchtet, dass sich dann der Preiskampf verschärft: "Schon jetzt ist der Druck hoch. Aber ich möchte keine Massenware so billig wie möglich produzieren, sondern Qualität."
Löhne in Südamerika sind niedrig
Das Dilemma ist: In Südamerika sind die Löhne niedriger. Es dürfen Pestizide und Wachstumsmittel eingesetzt werden, die in der EU verboten sind. Und auch der Einsatz von Gentechnik ist erlaubt.
Die Eifeler Bauern könnten deshalb beim Preis kaum konkurrieren, heißt es beim Bauernverband Rheinland-Nassau.
Bauernverband sieht Betriebe in Rheinland-Pfalz gefährdet
In Frankreich gehen die Landwirte bereits auf die Barrikaden. Es gab Traktorkorsos und Demonstrationen. In Rheinland-Pfalz hingegen blieb es ruhig. Unmut aber gibt es, sagt Bauernpräsident Marco Weber (FDP). Auch er fordert eine Neuverhandlung des Abkommens, weil er Betriebe gefährdet sieht.
"Wir wissen doch alle, dass am Ende der Verbraucherpreis für die Kunden zählt", sagt Weber. Doch bei Dumpingpreisen könnten Landwirte aus Rheinland-Pfalz nicht mithalten, weil sie Auflagen beim Tierwohl, beim Umwelt- und Gewässerschutz einhalten müssen.
Der Bauernpräsident meint: "Es dürfen nur Produkte nach Europa importiert werden, die unseren Standards entsprechen." Andernfalls könnte es passieren, dass einige der 3.000 Fleisch-Betriebe im Land aufgeben müssen.
Chance für Direktvermarkter?
Im Gröner Hof in Loogh, einem Ortsteil von Kerpen im Landkreis Vulkaneifel, brummt derzeit das Geschäft. Gerade in der Vorweihnachtszeit sind die Steaks, Burger und Würste aus dem Hofladen besonders gefragt.
Anders als im 20 Kilometer entfernten Duppach sieht man im Mercosur-Abkommen hier eine Chance, künftig mehr zu verkaufen. Denn Direktvermarkter profitieren besonders von schlechten Zeiten in der Fleischbranche, sagt Betreiberin Ursula Gröner: "Wir hatten unsere besten Zeiten während der BSE-Krise."
Wenn die Kunden sich der Qualität des Fleisches nicht mehr sicher sind, besinnen sie sich zurück auf "das gute Stück Fleisch vom Bauernhof". Das jedenfalls hofft Ursula Gröner. Denn das kann sie bieten: Ihre Bullen werden hier geboren, aufgezogen und direkt auf dem Hof geschlachtet.
Der Gröner Hof ist zwar kein Bio-Betrieb. "Aber wir versuchen so naturnah zu arbeiten wie möglich", sagt die Landwirtschaftsmeisterin: Ohne Mastfutter, Gentechnik und Wachstumsförderer. "Hier sieht jeder, wo das Fleisch herkommt", sagt Gröner, die das für ein Verkaufsargument hält.
Bundesregierung hält an Freihandelsabkommen fest
Doch die meisten Bauern im Land verkaufen ihr Fleisch nicht im eigenen Hofladen. Sie sind wie Hannah Meyer aus Duppach auf die Einzelhandelsketten angewiesen. "Schon jetzt haben wir da keine gute Verhandlungsposition", sagt die junge Landwirtin. Und die könnte sich noch verschlechtern durch die Konkurrenz aus Südamerika.
Bundesregierung nimmt Sorgen der Landwirte ernst
Die Bundesregierung hält trotzdem an dem Freihandelsabkommen fest. Mercosur sei wichtig für die deutsche Industrie, heißt es in Berlin - etwa für die Automobilindustrie, die in Südamerika einen gigantischen Markt für Verbrenner-Motoren sieht. Trotzdem nehme man die Sorgen der Landwirte "sehr ernst", schreibt eine Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums auf SWR-Anfrage. Deshalb sei vereinbart worden, die Einfuhr bestimmter Produkte durch Quoten zu begrenzen. Beispielsweise sollen nur 1,6 Prozent des EU-Verbrauchs an Rindfleisch importiert werden.
Zudem müssten die Lieferanten die Standards der EU erfüllen. Eine Sprecherin der Europäischen Kommission erklärt auf SWR-Anfrage: "Die EU wird im Falle negativer Auswirkungen für die Landwirte Unterstützungsmaßnahmen ergreifen, um die betroffenen Sektoren zu schützen."
Europa-Politiker sehen Gefahren in Abkommen
Joachim Streit hätte eine Idee, wie sich das realisieren lässt. Der Bitburger Politiker sitzt für die Freien Wähler im Europa-Parlament und fordert Strafzölle für südamerikanische Betriebe, die die EU-Standards verletzen. Damit könnten deutsche Landwirte entschädigt werden.
CDU-Abgeordnete fordert gleiche Standards
Die Pfälzer Europa-Abgeordnete Christine Schneider (CDU) sieht das größte Problem ebenfalls in den ungleichen Wettbewerbsbedingungen. Denn die Christdemokratin glaubt, dass zum Beispiel die Argentinier vor allem sogenannte "Prime Cuts" in Europa verkaufen wollen - besonders teure Steaks und Entrecotes von guter Qualität. "Und genau da liegen die Zukunftschancen unserer Betriebe im Land", sagt Schneider.
Deshalb sei es wichtig, dass künftig in Rio de Janeiro genauso gearbeitet werde wie in Duppach in der Eifel. Dann biete das Abkommen sogar die Chance, die hohen europäischen Umwelt-, Klima- und Tierwohlstandards in Südamerika zu verankern und die dortige Landwirtschaft bei einer nachhaltigen Transformation zu unterstützen.
Umweltschützer: Fleisch-Import könnte Regenwald schaden
Umweltschützer befürchten das Gegenteil. Sie glauben, dass das Abkommen dem Regenwald schaden könnte. Mehr Fleisch aus Brasilien würde mehr Soja als Futter bedeuten, was zu einer weiteren Abholzung des Regenwaldes führen könnte. Das Artensterben könnte voranschreiten und indigene Völker könnten vertrieben werden. Zudem würde der Import von Fleisch dem Klima schaden, da beim Transport um die halbe Welt Treibhausgase ausgestoßen würden.
Hannah Meyer und viele Landwirte in der Eifel hoffen daher, dass das Abkommen gestoppt oder zumindest überarbeitet wird. Beschlossene Sache ist es noch nicht. Die eigentlichen Entscheidungen über das Mercosur-Abkommen werden erst in der zweiten Hälfte 2025 gefällt. Frankreich, Polen, Österreich und die Niederlande haben bereits Widerstand angekündigt.