Anfang Mai in Trier-Nord. Ein Helferteam der Grünen hängt in der Nacht Plakate auf. Mit dabei: Ortsvorsteher Dirk Löwe.
Als er kurz alleine ist, so schildert er den Vorfall, kommen zwei Unbekannte auf ihn zu: "Bei einem Laternenmast war ich wenige Minuten alleine, um das Plakat vorzubereiten, als zwei Personen keine 10 Meter von mir weg los schrien, ich solle verschwinden, sie würden das Plakat abfackeln."
Einer der beiden habe geschrien, die einzige Partei, die Deutschland retten könne, sei die AfD. Die Männer seien weggelaufen, als andere aus dem Team dazukamen.
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Wahlkampfhelfer werden mit Prügel bedroht
Zwei Kilometer weiter ist zeitgleich ein zweites Helferteam in der Nähe des Moselstadions im Einsatz. Auch hier, berichten die Grünen, ist ein Helfer kurz alleine, als neben ihm ein Auto mit Trierer Kennzeichen anhält.
Drei Männer steigen aus und drohen: "Die sollte man ordentlich zusammenschlagen." Sie fahren weiter, als die restlichen Wahlhelfer dazukommen.
Zwei Vorfälle in einer Nacht, die die Trierer Grünen alarmieren. Weil sie befürchten, dass es zu weiteren Taten kommen kann, hat die Partei reagiert. "Nach den Drohungen werden wir die Teams neu zusammensetzen und die Arbeitszeiten ändern", sagt Nancy Rehländer, Sprecherin des Grünen-Kreisvorstands. Außerdem würden die Mitarbeiter geschult, um in Konfliktsituationen reagieren zu können.
Zu körperlicher Gewalt ist es im aktuellen Europa- und Kommunalwahlkampf in Trier zwar nicht gekommen. Von Pöbeleien beim Flyerverteilen oder am Infostand berichten etwa auch die Linke und die AfD im Stadtrat.
Auch die Zerstörungswut habe zugenommen. Unbekannte würden Wahlplakate reihenweise beschädigen, heißt es von Parteien auf beiden Seiten des politischen Spektrums.
Marc-Bernhard Gleißner, Politiker der Linken im Trierer Stadtrat, bereitet die Tendenz Sorge: "Was dieses Jahr wirklich enorm ist, ist der Vandalismus an den Wahlplakaten. Das betrifft alle Parteien. Die waren kaum aufgehängt und dann am nächsten Tag schon vollgeschmiert, runtergerissen und zerstört."
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Wahlkampfteams in Schutzkonzepten geschult
In der Kriminalstatistik für das vergangene Jahr hat das Polizeipräsidium Trier auch eine Körperverletzung gelistet - gegen die AfD durch Linksextremisten. Für den laufenden Wahlkampf geben AfD, Linke und die Grünen in Trier an, sie hätten ihre Wahlkampfteams geschult. Grundsätzlich gelte: Niemals allein unterwegs sein oder bei hitzigen Situationen deeskalierend handeln.
Auch Bürgermeister berichten von mehr Aggressivität
Dass das politische Klima im Land schon länger angespannt und bisweilen aggressiv ist, erleben nicht zuletzt Amtsträger in der Kommunalpolitik immer wieder.
Joachim Rodenkirch (CDU) etwa auf sehr persönlicher Ebene. Als der Wittlicher Bürgermeister nach dem gewaltsamen Tod eines Besuchers die Säubrennerkirmes im Sommer 2023 weiterlaufen lässt, erreicht ihn eine Mail, in der ein anonymer Absender seine Familie bedroht.
Rodenkirch alarmiert damals die Polizei, die Ermittlungen laufen. Passiert ist ihm und seiner Familie seither nichts, ein ungutes Gefühl aber ist geblieben: "Das ist ja das Perfide von diesen anonymen Drohungen", sagt er.
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Die gewaltsamen Attacken auf Politiker und Wahlkampfhelfer in Sachsen, Brandenburg und zuletzt auch Berlin auf Wirtschaftssenatorin Giffey machen Rodenkirch bestürzt: "Verbale Angriffe passieren durchaus häufiger. Aber wenn aus Worten Taten werden, dann ist das schon eine andere Stufe. Da müssen wir als Gesellschaft auch klar Position beziehen, dass so etwas nicht toleriert wird in unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung."
Einzelne Bürgermeister wollen nicht weitermachen
Einzelne Kommunalpolitiker in der Region haben derweil die Reißleine gezogen und treten nicht mehr an. Eine Ortsbürgermeisterin aus der Eifel sagte dem SWR, es sei unmöglich, was sich manche Menschen rausnehmen würden, wenn etwas nicht in ihrem Sinne geschehe.
"Eine Person, die nicht Ihrer Meinung ist, bauscht sich wenige Zentimeter vor Ihnen auf Auge in Auge – ich war total schockiert."
Verletzt hätten sie vor allem Beschimpfungen von Menschen, die nicht wüssten, wie viel Arbeit hinter der ehrenamtlichen Kommunalpolitik stecke. Die zunehmende Erwartungshaltung und Aggressivität sei neben der hohen Arbeitsbelastung für sie ein Grund, in diesem Jahr nicht wieder anzutreten.
Ansprüche steigen - Respekt sinkt
Auch der Ortsbürgermeister von Fleringen in der Schneifel, Lothar Lamberty (CDU), tritt nicht mehr an. Er hat Beschimpfungen erlebt und falsche Unterstellungen etwa auf dem Dorffest.
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Seine beiden Großväter seien auch Ortsbürgermeister gewesen, sagt er, da habe es noch mehr Respekt vor dem Bürgermeister gegeben: "Der ist aber gänzlich verschwunden. Man ist jemand, der für die Drecksarbeit zuständig ist, der alles gesagt bekommt, was negativ auffällt."
Was den laufenden Europa- und Kommunalwahlkampf anbelangt, will der Wittlicher Oberbürgermeister Rodenkirch nicht von einer gestiegenen Bedrohungslage sprechen. Polizei und Ordnungsamt seien zwar sensibilisiert. Die größere Aufgabe sieht er aber bei der Zivilgesellschaft. An die appelliert er, achtsam zu sein.
"Wir alle sind Deutschland und wir alle wollen hier freiheitlich und demokratisch miteinander leben. Und das müssen wir auch gemeinsam schützen."