Der Angriff auf den sächsischen SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Matthias Ecke, sowie weitere Übergriffe haben bundesweit Entsetzen ausgelöst. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schlug eine Sondersitzung der Innenministerkonferenz der Länder vor. Diese soll nun am frühen Dienstagabend per Videoschalte stattfinden.
Faesers rheinland-pfälzischer Amtskollege Michael Ebling (SPD) sagte dem SWR im Hinblick auf die anstehende Europa- und Kommunalwahl, die vielen tausend Kandidatinnen und Kandidaten verdienten Wertschätzung und wenn notwendig auch effektiven Schutz.
Neuer Höchststand bei politisch motivierten Straftaten
Die Zahl der politisch motivierten Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger in Rheinland-Pfalz habe 2023 mit 103 Taten einen Höhepunkt erreicht, so Ebling. 2014 seien lediglich 23 solcher Straftaten registriert worden. Der zweithöchste Wert seither sei im Jahr 2020 mit 82 Straftaten erreicht worden. Danach sei die Zahl bis 2022 zurückgegangen, damals auf 54 Fälle.
Dreyer: Aus verbalen Drohungen werden Taten
Am Samstag hatte sich die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) zu den Attacken auf Politiker geäußert. "Die Ereignisse unter anderem in Dresden sind abscheulich und machen fassungslos", teilte sie in Mainz mit. "Es ist ein kalkulierter Einsatz von Gewalt zur Einschüchterung von Demokraten." Aus verbalen Drohungen würden "abscheuliche" Taten. "Umso wichtiger ist, dass Demokraten jetzt zusammenstehen und die Demokratie stärken", appellierte Dreyer.
Der SPD-Politiker Marcel Schuzl aus Kaiserslautern forderte im SWR, mit der genzen Härte des Gesetzes bei Gewaltakten auf Politiker und Politikerinnen vorzugehen.
Gewalt gegen Politiker SPD-Politiker Schulz fordert ganze Härte des Gesetzes
Der Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden löst auch bei uns Bestürzung aus. Wir haben mit Marcel Schulz von der SPD in Kaiserlautern gesprochen.
Vier Tatverdächtige nach Attacke in Dresden ermittelt
Ecke war am Freitagabend beim Aufhängen von Wahlplakaten von einer Gruppe Unbekannter zusammengeschlagen und schwer verletzt worden. Er musste ins Krankenhaus gebracht und operiert werden. Ein 17-jähriger Tatverdächtiger stellte sich in der Folge der Polizei. Nach Angaben des sächsischen Landeskriminalamtes vom Montag wurden mittlerweile drei weitere Tatverdächtige ermittelt. Die Wohnungen der Beschuldigten im Alter von 17 und 18 Jahren seien am Sonntag durchsucht worden. Zumindest einer der Tatverdächtigen wird von den Ermittlern dem rechten Spektrum zugeordnet.
Auch Angriff auf Grünen-Wahlhelfer in Dresden
Wenige Minuten vor dem Angriff hatte laut Polizei bereits eine vierköpfige Gruppe einen 28-jährigen Wahlkampfhelfer der Grünen ebenfalls beim Plakatieren attackiert. Die Täter schlugen und traten ihn; auch er wurde verletzt. Die Ermittler des Staatsschutzes gehen aufgrund der übereinstimmenden Personenbeschreibungen sowie der zeitlichen und örtlichen Nähe davon aus, dass es sich um dieselben Täter handelt.
Bereits mehrere Angriffe vor den Wahlen am 9. Juni
Die Vorfälle von Dresden reihen sich ein in eine Folge von Angriffen auf Parteimitglieder im Vorfeld der Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni. Erst am Donnerstagabend waren der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kai Gehring und sein Parteikollege Rolf Fliß nach eigenen Angaben nach einer Parteiveranstaltung in Essen attackiert worden.
Im niedersächsischen Nordhorn wurde am Samstagmorgen ein Landtagsabgeordneter der AfD nach Polizeiangaben an einem Infostand geschlagen.
Vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass der Wagen von Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) in Brandenburg mehr als eine halbe Stunde von aggressiven Demonstranten blockiert worden war.
Steinmeier und Scholz: Zusammenstehen gegen Gewalt
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerten am Samstag Entsetzen über die Vorfälle.
"Dieser Ausbruch von Gewalt ist eine Warnung", erklärte Steinmeier. "Alle, die unsere liberale Demokratie erhalten möchten, müssen nun parteiübergreifend zusammenstehen gegen Angriffe und Übergriffe im politischen Wettbewerb."
Angriffe wie auf den Europaabgeordneten Ecke bedrohten die Demokratie, sagte Scholz. Hinnehmen sei keine Option. Dass so etwas geschehe, habe auch etwas mit Reden, die gehalten würden, und mit Stimmungen, die erzeugt würden, zu tun, sagte der Bundeskanzler.