Vor zwei Jahren veränderte sich das Leben von Ute Schmidt (Name von der Redaktion geändert) grundlegend. Ihr damaliger Partner trennte sich von ihr und setzte sie nach elf Jahren Beziehung von einem Tag auf den anderen vor die Tür.
Dem konnte sie nichts entgegensetzen. Das Haus war nur auf den Namen des Mannes eingetragen. Verheiratet waren sie nicht. "Ich hatte nur eine Tasche mit Kleidern dabei", berichtet die 58-Jährige.
Café Haltepunkt in Trier hilft Frauen in einer Notlage
Um nicht auf der Straße schlafen zu müssen, kam sie ins Café Haltepunkt nach Trier. Das ist eine Notunterkunft für wohnungslose Frauen. Dort lebte sie für mehrere Monate. Inzwischen hat sie mit Hilfe des Café Haltepunkts eine neue Wohnung in der Nähe von Trier gefunden.
Lange Wartezeiten statt Therapie
Die Erfahrung, alles zu verlieren, hat Ute Schmidt psychisch krank gemacht: "Ich zog mich zurück". Sie wusste, sie braucht so schnell wie möglich eine Therapie, um alles aufarbeiten zu können - aber daraus wurde zunächst nichts.
"Die Psychotherapeuten sagten mir damals, ich muss ein Jahr auf eine Therapie warten", so Schmidt. Sie wartet nach zwei Jahren immer noch auf eine Therapie.
Schmidt war zwischenzeitlich für drei Monate in einer Psychiatrie untergebracht, weil sie es nicht mehr ausgehalten hatte. "Wenn ich direkt einen Therapieplatz bekommen hätte, würde es mir heute besser gehen", betont die 58-Jährige.
Situation spitzt sich zu Notunterkünfte in Trier am Limit: Immer mehr Menschen brauchen Hilfe
So geht es nicht weiter. Das hört man aus Trierer Notunterkünften, die keinen Platz mehr haben. Immer mehr Bedürftige kommen zum Schlafen. Die Einrichtungen fordern Unterstützung.
Immer mehr Frauen mit psychischen Erkrankungen
Ute Schmidt ist damit im Café Haltepunkt nicht allein. Seit Jahren suchen immer mehr Frauen mit psychischen Erkrankungen die Einrichtung auf. Dafür gibt es laut Leiterin Regina Bergmann viele Gründe: schwere Schicksale, Gewalt oder Überforderung.
Bergmann sagt, diese Frauen bräuchten Hilfe, die sie aktuell selten bekommen. "Es ist fast unmöglich, bei einem Psychotherapeuten mit Kassenzulassung einen Therapieplatz zu bekommen." Auch auf einen Termin beim Psychiater müssten sie lange warten.
"Den Frauen geht es immer schlechter, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt werden", sagt Bergmann. Sie kommen im Alltag nicht mehr zurecht. "Das ist ein Teufelskreis."
Psychotherapie durch Spenden
Damit es Frauen wie Ute Schmidt bald besser geht, sammelt das Café Haltepunkt in Trier Spenden. Mit dem Geld sollen Psychotherapien in der Einrichtung teils bezahlt werden.
"Wir arbeiten bereits mit zwei Psychotherapeutinnen aus Trier zusammen, die für ihre Sitzungen zu uns kommen werden", erläutern Bergmann. Es soll künftig Gruppen- und Einzeltherapien im Café Haltepunkt geben.
"Das Geld wird aber nicht ausreichen. Wir bräuchten finanzielle Unterstützung aus der Politik", betont Bergmann. Es gehe um mehrere Zehntausend Euro im Jahr, die nötig wären, um alle Therapien zu bezahlen.
Psychiatrie in Trier seit Jahren überlastet
Lange Wartezeiten bei Ärzten und Therapeuten führen dazu, dass das Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen in Trier immer mehr Menschen aufnehmen muss.
Nach Angaben der dortigen Psychiatrie werden psychische Erkrankungen oft nicht rechtzeitig erkannt oder ausreichend versorgt, was zu einer steigenden Zahl akuter Aufnahmen führt.
Eine Folge davon: Die Psychiatrie ist seit Jahren überlastet. In den vergangenen drei Jahren lag die Auslastung bei über 100 Prozent. "2024 lag unsere Auslastung im Durchschnitt bei 110 Prozent", so eine Sprecherin Es gibt 80 Betten in der Psychiatrie, aber zusätzliche Betten sind notwendig, um alle Patienten unterzubringen.
Schlechte Versorgungslage durch Corona noch verschärft Hilfe vom Psychotherapeuten: Lange Wartezeiten in der Region Koblenz
Auch im Norden von Rheinland-Pfalz warten Patienten lange auf einen Termin beim Psychotherapeuten. Die Corona-Pandemie und die Flutkatastrophe haben die Situation noch verschärft.
Zu wenig Psychotherapeuten in Trier
Laut der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV) gibt es in der Region nicht ausreichend niedergelassene Psychiater, Neurologen und Psychotherapeuten. Das sei der Grund, weshalb Patienten so lange auf einen Termin warten müssten. Die Situation sei angespannt, denn aktuelle Krisen wie die Wirtschaftskrise belasteten die Menschen zunehmend. Es drohe eine "Versorgungskatastrophe".
Um mehr Psychotherapeuten in die Region Trier zu locken, muss für sie laut KV die sogenannte Bedarfsplanung abgeschafft werden. Die vom Bund vorgegebene Regelung bestimmt unter anderem, wie viele Psychotherapeuten sich in einem Gebiet maximal niederlassen dürfen.
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Psychotherapeuten wollen nach Trier, dürfen aber nicht
Es gebe durchaus genug Psychotherapeuten, die bereit wären, in der Region Trier zu arbeiten. Doch wegen der Bedarfsplanung dürfen sie es nicht. Das Problem: Die Region Trier ist stark ländlich geprägt und hat per Bedarfsplanung weniger Psychotherapeuten, Neurologen und Psychiater zugeteilt als Regionen mit mehr Einwohnern - wie etwa die Region rund um Mainz.
Nach Informationen des SWR versorgt Trier jedoch viele andere Regionen mit. So kommen beispielsweise Patienten aus dem Saarland in die Stadt, um sich bei einem Psychiater, Neurologen oder Psychotherapeuten behandeln zu lassen. Die Versorgungslage in der Region Trier bleibt also weiter angespannt. Die Kassenärztliche Vereinigung fordert daher eine Gesetzesänderung, damit sich noch mehr Psychiater, Neurologen und Psychotherapeuten in der Region Trier niederlassen können.