Helga Scherf muss einen Moment suchen, dann hat sie es gefunden: das blaue Schild mit dem Namen "Scherfen". Noch liegt es im Flur und wartet darauf, endlich an der Hauswand seinen Platz zu finden. Es soll direkt neben dem Familiennamen am Briefkasten angebracht werden und damit den Namen des Hauses anzeigen.
Mit dem fast identischen Namen ist Helga Scherf in Bonerath im Kreis Trier-Saarburg eine Ausnahme. Die meisten alten Hausnamen haben nichts mit den darin wohnenden Familien zu tun. Doch im "Scherfen-Haus" lebt die Familie Scherf schon seit vielen Jahren – und so entstand auch der Name.
Tradition der Hausnamen nicht vergessen
Früher gehörten die Hausnamen zum Dorfleben. Jedes Haus hatte einen eigenen Namen, oft abgeleitet von den Bewohnern, ihrem Beruf oder besonderen Merkmalen des Gebäudes. Doch mit der Zeit gerieten diese Namen in Vergessenheit.
Die Idee, die Hausnamen wieder aufleben zu lassen, stammt von Helga Scherf. Sie ist Mitglied des Heimatvereins im Dorf. Sie hatte eine ähnliche Geschichte im Internet gesehen und im Verein vorgeschlagen. Die Tradition, bei der jedes Haus einen eigenen Namen hatte, wird auch in anderen Dörfern der Region Trier wieder entdeckt, wie in Wallersheim im Eifelkreis Bitburg-Prüm.
Gabi Theis ist die Vorsitzende des Heimat- und Kulturvereins in Bonerath und möchte mit dem Projekt vor allem die Geschichte des Ortes lebendig halten. "Die alten Namen verschwinden, wenn wir nichts tun", sagt Theis. "Damit würde auch ein Teil unserer Dorfgeschichte verloren gehen."
Die Suche nach den alten Hausnamen in Bonerath war nicht immer einfach. Der Verein durchforstete alte Dorfchroniken und befragte die älteren Dorfbewohner. "Manchmal war es echt knifflig. Viele sind auch nicht mehr da, die man fragen könnte", erklärt Helga Scherf. Dennoch fanden sie etwa 30 Namen. Die kamen mit weißer Schrift auf die blauen Schilder.
"Pettisch", "Bakes" und Co. - Was hinter den Hausnamen steckt
Die Hausnamen erzählen oft kleine, aber wichtige Geschichten. Ein Beispiel ist der Name "Pettisch", der aus dem "Petz" entstanden ist. Ein Petz ist ein tiefer Brunnen, bei dem auch immer noch Wasser zu finden ist, wenn alles andere Wasser aufgebraucht ist. Selbst in den trockensten Sommern führt er noch Wasser. "Solche Details machen die Namen so besonders", sagt Gabi Theis.
Auch sie wird im Dorf immer noch mit dem alten Hausnamen angesprochen. "Das bleibt einfach hängen", schmunzelt Theis. "Ich bin aus dem Bakes-Haus, das ist ein altes Backhaus. Und auch wenn es das Haus heute gar nicht mehr gibt, bin ich im Dorf immer noch die "Bakes Gabi'". Darauf bin ich stolz."
Besonders schön für den Verein ist, dass nicht nur alteingesessene Dorfbewohner, sondern auch Zugezogene die Aktion unterstützt haben. "Manche sind erst seit ein paar Jahren hier, aber sie wollten unbedingt ein Schild an ihrem Haus haben", erzählt Gabi Theis. "Das zeigt, dass sie sich mit dem Dorf verbunden fühlen und das ist einfach wunderbar."
Dialekt und Heimatgefühl bewahren
Das Projekt dient nicht nur der Wiederbelebung der Hausnamen, sondern auch der Pflege des moselfränkischen Dialekts, der zunehmend in Vergessenheit gerät. "Die Kinder von heute verstehen oft nicht mehr, was mit den alten Begriffen gemeint ist", erklärt Theis. Deshalb hat der Verein ein kleines Dialektheft herausgegeben, in dem typische Wörter aus dem moselfränkischen Sprachraum gesammelt sind.
"Es war uns wichtig, die Sprache lebendig zu halten, und deshalb haben wir uns entschieden, das Dialektheft genauso zu gestalten, wie wir es sprechen – die Schreibweise ist oft etwas freier, als man sie aus Büchern kennt“, sagt Theis. "In der Chronik steht manches anders, aber wir wollten, dass der Dialekt auch so wiedergegeben wird, wie er in unserem Dorf tatsächlich gesprochen wird.
Jubiläumsjahr: 200 Jahre Auswanderung Warum in Brasilien Hunsrücker Dialekt gesprochen wird
Sich im Süden Brasiliens auf Deutsch unterhalten? Oft kein Problem, denn viele sprechen hier noch die Sprache ihrer Vorfahren. Vor 200 Jahren kamen sie dort an - viele aus dem Hunsrück.
Die alten Hausnamen sind für die Dorfgemeinschaft mehr als nur Schilder an den Wänden. Sie sind ein lebendiges Stück Geschichte, das dazu beiträgt, Erinnerungen und Geschichten weiterzugeben. Noch haben sich nicht alle Bewohner an dem Projekt beteiligt, bisher hängen erst 2/3 der alten Hausnamen wieder. Rund 500 Euro hat der Heimatverein in dieses Projekt investiert. Der Verein wünscht sich, dass auch an den anderen Häusern bald wieder der ursprüngliche Name hängt.