Am heftigsten betroffen war der Landkreis Ahrweiler. Am Donnerstag wurden hier noch bis zu 1.300 Menschen vermisst, inzwischen spricht die Landesregierung von etwa 100 Vermissten.
Wohl am schlimmsten hat es den Eifelort Schuld an der Ahr mit rund 700 Einwohnern erwischt. Allein hier wurden dutzende Menschen vermisst, nachdem sechs Häuser eingestürzt sind. 40 Prozent der weiteren Wohngebäude wurden beschädigt, wie der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Adenau, Guido Nisius (CDU), berichtete. Aber wie durch ein Wunder gab es im Ort keine Toten. Am Freitagnachmittag kam in Schuld weitere Hilfe der Bundeswehr an, unter anderem ein Bergungspanzer.
Energieversorger: Gasleitung im Kreis Ahrweiler komplett zerstört
Der Versorger Energienetze Mittelrhein hat die Situation nach der Hochwasserkatastrophe im Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz als dramatisch bezeichnet. "Die Gasleitung ist komplett gerissen. Wirklich zerstört", sagte Unternehmenssprecher Marcelo Peerenboom. Mehrere Kilometer Leitung müssten komplett neu gebaut werden. "Das wird leider Wochen oder Monate dauern, bis dort wieder Gasversorgung ist. Das heißt für die Bürger: kaltes Wasser, und wenn die Heizperiode kommt, auch kalte Wohnung."
Zur Stromversorgung im Kreis Ahrweiler hatte das Unternehmen Westnetz von erheblichen Beschädigungen an den Verteilungsanlagen gesprochen. Zahlreiche Städte und Ortsgemeinden seien von Stromausfällen betroffen. "Die Arbeiten und Erreichbarkeit der Stromanlagen werden zum Teil durch überflutete Straßen erschwert", hieß es in einer Mitteilung. Eine Aussage zur Wiederaufnahme der kompletten Versorgung sei vorerst nicht möglich.
In Sinzig wurden bisher zwölf Menschen tot geborgen. Bei den Opfern handelt es sich um Bewohnerinnen und Bewohner einer Behinderteneinrichtung.
Auch Region Trier schwer getroffen
Auch in der Region Trier standen viele Eifel- und Moselgemeinden unter Wasser. Im Trierer Stadtteil Ehrang wurde die Hochwasserschutzmauer überschwemmt. Teile des Orts wurden von der Kyll überflutet, der Strom fiel aus. Rund 1.000 Menschen wurden nach Angaben der Stadt in Sicherheit gebracht. Auch das Krankenhaus wurde komplett evakuiert. Einige frisch-operierte Menschen mussten per Hubschrauber abtransportiert und in andere Krankenhäuser verlegt werden.
Das Wasser fließe in Trier-Ehrang zügig ab, sagte der Chef der Trierer Berufsfeuerwehr, Andreas Kirchartz, am Freitag. "Es werden immer mehr Straßen frei." Bevor die Menschen zurück könnten, müssten die Häuser von Statikern geprüft werden, sagte Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD). Bewohner durften am Freitag kurz in ihre Häuser und Wohnungen, um persönliche Dinge herauszuholen. Strom werde es allerdings in dem Ortsteil vermutlich noch mehrere Tage nicht geben, hieß es.
Aufräumarbeiten und Brände in Kordel
In Kordel im Kreis Trier-Saarburg waren Feuerwehrleute die ganze Nacht auf Freitag im Einsatz. Am Donnerstagabend hatte es noch zwei Brände in Häusern gegeben, die vom Wasser eimgeschlossen waren. Sie entstanden nach Angaben der Feuerwehr vermutlich, als der Strom wieder angeschaltet wurde. Die Feuerwehr warnte eindringlich davor, den Strom anzuschalten, solange noch Wasser in den Häusern steht.
Die Stromversorgung in Kordel wurde für die Teile des Dorfes wieder hergestellt, in denen die Stromkästen nicht unter Wasser stehen. Auch die Trinkwasserpumpe läuf laut Feuerwehr wieder. Am Donnerstag waren durch die extreme Hochwasserlage 22.000 Menschen in der Verbandsgemeinde Trier-Land von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten gewesen.
Wasser-Tankwagen und Notstromaggregate für den Eifelkreis Bitburg-Prüm
Auch im Eifelkreis Bitburg-Prüm begannen die Aufräumarbeiten. Nach Angaben eines Sprechers des Katastrophenschutzzentrums wurden zunächst die Orte versorgt, die länger ohne Strom und Wasserversorgung waren. Viele Ortschaften rund um den Stausee in Biersdorf wurden von Tankwagen angefahren und mit Trinkwasser versorgt, hieß es. Außerdem sei landwirtschaftlichen Betrieben aber auch Privathaushalten teilweise mit Notstromaggregaten geholfen worden.
In Echternacherbrücke habe die Bundeswehr am Freitag rund 500 Frühstücke verteilt. In der Südeifel hätten Helfer das Wasser aus Kellern und Wohnhäusern gepumpt. Die Instandsetzung der Infrastruktur wird laut Katastrophenschutz deutlich länger dauern. Viele Straßen sind kaputt, Gleise wurden unterspült, und Brücken sind durch die Wassermassen beschädigt worden.
Schulen im Eifelkreis zu - im Kreis Vulkaneifel auf
Im Eifelkreis blieben am Freitag alle Schulen und Kindertagesstätten wegen der Hochwasserlage geschlossen. Die Kreisverwaltung in Bitburg begründete das mit der gefährlichen Verkehrssituation. Straßenzüge könnten abrutschten, der Bus- und Bahnverkehr erfolge nur sehr eingeschränkt.
Dagegen hatte die Verwaltung im Kreis Vulkaneifel entschieden, dass alle Schulen und Kindertagesstätten am letzten Schultag vor den Sommerferien wieder regulär geöffnet waren. Eltern konnten aber selbst entscheiden, ob die Kinder die Kita besuchen oder am Unterricht teilnahmen.
90 Tote - Vermisstenzahl weiter unklar
Die Zahl der Toten stieg am Samstag auf mindestens 90. Am Freitag hatte Innenminister Roger Lewentz (SPD) im SWR noch von 65 Toten gesprochen. Zuvor hatte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) gesagt: "Natürlich geht jetzt überall das Wasser zurück und darum ist die Zahl von gestern Abend auf heute Morgen so gestiegen, weil man schlicht und ergreifend Menschen gefunden hat, die ertrunken sind." Die Regierungschefin zeigte sich tief bestürzt: "Da könnte man eigentlich nur noch weinen. Das ist ein Horror."
Zur Zahl der Vermissten könne man derzeit nichts Sicheres sagen. Man hoffe natürlich, dass darunter viele Personen seien, die lediglich wegen der Mobilfunkstörungen nicht erreichbar seien. Nach Dreyers Angaben haben die Mobilfunkbetreiber zugesagt, dies möglichst schnell zu beheben. Neue Funkmasten aufzustellen, werde aber nicht so sofort möglich sein.
Zugverkehr bleibt möglicherweise monatelang gestört
Das Hochwasser im Norden von Rheinland-Pfalz hat auch massive Auswirkungen auf den Bahnverkehr. Die Strecke durch das Ahrtal bleibt möglicherweise monatelang gesperrt. Dort sind mindestens sieben Eisenbahnbrücken und bis zu 20 Kilometer Streckengleis weggeschwemmt worden. Ähnlich schwer betroffen ist die Eifelstrecke von Trier-Ehrang über Gerolstein bis Hürth in Nordrhein-Westfalen.
Ein konkretes Lagebild der Schäden konnte sich die Deutsche Bahn bislang noch nicht machen. Die Strecke sei nicht erreichbar. Der Zweckverband SPNV und die Bahn haben einen Krisenstab eingerichtet. Fahrgäste können sich auf der Website der Bahn nach Ersatzverbindungen erkundigen.
Zahlreiche Straßen weiter gesperrt
Seit Freitag sind zahlreiche weitere Straßen gesperrt oder nur eingeschränkt zu befahren. In Sinzig wurde eine Brücke über der Ahr beschädigt, die Teil der B 9 ist. Die Bundesstraße entlang des Rheins ist dort gesperrt. Weiterhin nicht befahrbar waren auch die Bundesstraße 257 von Hönningen bis Ahrbrück sowie mehrere Land- und Kreisstraßen. Die Polizei rief dazu auf, die vom Hochwasser betroffenen Ortschaften nicht aufzusuchen, sondern weiträumig zu umfahren, damit Platz für die Rettungskräfte ist.
Pegelstände in der Region Trier sinken
Überall in der Region Trier sind die Wasserstände der Flüsse gesunken. Der Mosel-Pegel in Trier lag am Samstagmorgen bei etwa sieben Metern. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm laufen die Aufräumarbeiten nach dem Hochwasser weiter. Schwerpunkt ist hier laut Feuerwehr die Verbandsgemeinde Südeifel in den Bereichen Irrel und Echternacherbrück. In Echtershausen bei Bitburg ist eine Straße weggebrochen. Die Menschen dort wurden von Soldaten der Bundeswehr mit Wasser und Lebensmitteln versorgt. Die Stromversorgung sei wieder hergestellt worden, so die Feuerwehr am Samstag.
Im Norden des Landes könne es in Teilen der Eifel bei kleinen und mittleren Flüssen rund um Prüm sowie zwischen Andernach und Mayen zu vereinzelten Überflutungen kommen. Eine hohe Hochwassergefährdung besteht demnach nur noch für den Bereich rund um Altenahr: Hier könnten noch Grundstücke und Keller überflutet werden.
Schifffahrt auf dem Rhein eingestellt
Am Freitagmittag lag der Pegel des Rheins in Koblenz über 6,50 Meter - und stieg damit über die für die Schifffahrt wichtige Hochwassermarke Zwei. Zwischen Koblenz und Neuwied-Engers dürfen deshalb Schiffe seitdem nicht mehr fahren. Dieser Stopp wirkt sich auch auf den gesamten Schiffsverkehr auf dem Mittelrhein aus.