Die Feuerwehr hätte die weiteren Opfer entdeckt, sagte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) am Donnerstagabend im SWR. Angaben des Innenministeriums zufolge handelt es sich bei den Opfern um Bewohner einer Behinderteneinrichtung in Sinzig. Die Fluten seien schneller gekommen, als die Menschen hätten in Sicherheit gebracht werden können, hieß es.
Extremer Starkregen hatte im Landkreis Ahrweiler eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes verursacht. In den Fluten starben mindestens 28 Menschen. Bis zu 1.300 Menschen würden noch vermisst, sagte eine Sprecherin des Kreises. Da aber das Telefonnetz zusammengebrochen sei, hoffe man, dass es sich noch kläre. Die Sprecherin sagte auch, dass es wohl weitere Tote gebe, ohne eine Zahl zu nennen.
"Schlimmster Katastrophenfall für die Region"
"Das ist die größte Katastrophe für den Kreis Ahrweiler seit dem Zweiten Weltkrieg", sagte Landrat Jürgen Pföhler. Im Dorf Schuld an der Ahr mit etwa 700 Einwohnern stürzten sechs Häuser ein, fast die Hälfte aller Wohngebäude wurden teils erheblich beschädigt.
Etliche Brücken über die Ahr wurden ebenfalls zerstört. Rettungskräfte müssen zum Teil weite Umwege fahren. Im Ort Insul standen etwa 30 Prozent der Häuser unter Wasser, so der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Adenau, Guido Nisius (CDU). "Das ist der schlimmste Katastrophenfall, den ich erlebt habe", so Nisius.
Suche nach Vermissten - Rettung mit Hubschraubern
Die Fluten schnitten mehrere Orte von der Außenwelt ab. Etwa 50 Menschen wurden von Hausdächern gerettet, auf denen sie Zuflucht gesucht hatten. Hunderte Einsatzkräfte suchten nach Vermissten. Dabei waren allein 100 Bundeswehrsoldaten zu Lande und zu Luft unter den Rettungskräften. Auch Höhenretter der Feuerwehr Wiesbaden kamen zu Hilfe, ebenso wie Experten aus Baden-Württemberg. Aus dem Kreis Altenkirchen unterstützten mehr als 200 Feuerwehrleute und Katastrophenhelfer die Einsatzkräfte im Kreis Ahrweiler und in Nordrhein-Westfalen.
Polizei verhindert Plünderungen - zwei Festnahmen
In Ahrweiler hat die Polizei in einem Juweliergeschäft zwei mutmaßliche Plünderer festgenommen. Die Männer sollen dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Beamten sind mit verstärkten Kräften unterwegs, um solche Taten zu verhindern.
Entwarnung bei Talsperre in NRW
An der Steinbachtalsperre in Nordrhein-Westfalen werden die Orte Schweinheim, Flamersheim und Palmersheim evakuiert - insgesamt sind mehrere Tausend Menschen betroffen. Nach Gerüchten, die Talsperre drohe zu brechen, gab die Polizei aber Entwarnung. Es liefen bereits Sicherungsarbeiten. Bei einem tatsächlichen Bruch der Talsperre sei der Bereich Bad Neuenahr-Ahrweiler nicht betroffen, da die Fließrichtung des Wassers nicht in diesen Bereich verlaufe, so die Polizei.
Schaulustige behindern Rettungsarbeiten in Schuld
Im besonders betroffenen Ort Schuld haben laut Polizei Schaulustige die Einsatzkräfte behindert. Die Polizei ruft daher die Menschen auf, Rettungswege freizuhalten und gesperrte Straßen zu meiden.
In der Nacht zum Donnerstag waren viele Menschen auf Hausdächer oder Vordächer vor den Wassermassen geflüchtet. Die Rettungseinsätze seien sehr schwierig und teils sogar unmöglich gewesen, sagte Landrat Pföhler. "Viele haben die ganze Nacht im Regen auf einem Dach oder dem Dach ihres Campingbuses ausgeharrt, ohne zu wissen, wann Hilfe kommt."
Der Einsatzleiter des Katastrophenstabes Michael Zimmermann sagte, schätzungsweise 1.000 Einsätze im Kreis Ahrweiler müssten abgearbeitet werden. Mehr als 100 Gebäude im Landkreis sind schwer beschädigt.
Orte nur zu Fuß erreichbar - Straßen gesperrt
Etliche Orte in der Region sind von der Außenwelt abgeschnitten. Zahlreiche Straßen und Brücken sind gesperrt. Im Bereich der Bäche und Flüsse besteht Lebensgefahr. Laut Polizei ist das Ahrtal über keine der Zufahrtsstraßen mehr erreichbar. Betroffen sind demnach die Bundesstraßen 257 und 258 sowie zahlreiche Kreisstraßen. Auch zwischen Bad Neuenahr-Ahrweiler bis Sinzig ist kein Durchkommen.
Kein Wasser, kein Strom und kein Gas nach Unwetter
Die Lage ist überall im Kreis verheerend. Kleine Flüsse haben sich in reißende Ströme verwandelt. Nicht nur Gebäude auch die gesamte Infrastruktur wurde beschädigt oder zerstört. "In weiten Teilen des Kreises gibt es keine Trinkwasserversorgung, keinen Strom und kein Gas", sagte Landrat Pföhler. Die Wasserversorgung ist zusammengebrochen, weil die Pumpen des Wasserwerks Remagen keinen Strom haben.
Es werde noch Wochen dauern bis die Schäden beseitigt seien, so der Landrat. Von den 13 kreiseigenen Schulen seien zehn vom eindringenden Wasser so stark beschädigt, dass sie vorerst nicht genutzt werden könnten. Es sei fraglich, ob der Unterricht dort nach den Ferien weitergehen könne.
Menschen müssen medizinisch versorgt werden
Der Einsatzleiter für den Bereich Gesundheit, Oliver Rodack, sagte, er gehe davon aus, dass viele Menschen, die die Nacht in den überschwemmten Gebieten verbracht hätten, auch medizinische Hilfe bräuchten. Es seien deshalb Rettungskräfte aus dem ganzen Land angefordert worden, um Verletzte zu versorgen.
Landesregierung kündigt 50 Millionen Euro Soforthilfe an
Die Landesregierung wird eine Katastrophenhilfe für die Unwetterregionen in Höhe von 50 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Das habe das Kabinett auf einer Sondersitzung beschlossen, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) dem SWR. Das Geld solle sehr schnell bereit gestellt werden. Es solle helfen, die Einrichtungen und die Infrastruktur in den Kommunen ganz schnell wieder aufzubauen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hätten ihr in Telefonaten finanzielle Unterstützung durch den Bund zugesagt. Darüber sei sie sehr froh - so Dreyer - denn eine solche Katastrophe habe das Land noch nicht erlebt.
Dreyer äußerte sich im Landtag bestürzt über die Flut-Katastrophe. Die Überschwemmungen seien eine Katastrophe. Sie dankte den Einsatzkräften und sprach den Opfern ihr Mitgefühl aus. Derzeit sei auch das Mobilfunknetz nicht stabil, aber es werde daran gearbeitet, dass die Hotline stabil erreichbar sei.